
Von Hand gemachte Mitbringsel sind was Feines. Weiß der versierte Gourmand doch sofort, dass hier mit Liebe und Leidenschaft geschnippelt, gemixt, gekocht oder gebacken wurde, weswegen die Ergebnisse solcher Do-it-yourself-Aktivitäten stets von überragender Güte zu sein haben. Sind sie´s mal nicht, bzw. ist die Lücke zwischen den eigenen Vorlieben und der überreichten Hier-bitte-Obst-der-Wahl-einsetzen-Marmelade zu groß, hat man ein ernsthaftes Problem: Man wird das Zeugs nicht wieder los.
Verputzen verbietet sich ob der zuvor erwähnten Geschmacksinkompatibilität.
Vernichten gehört sich nicht: Aus Rücksicht vor der gut gemeinten Küchenübung des Schenkenden und aus Respekt vor Harald Schmidts „armen Negerkindern” (erst gucken und dann schimpfen).
Und weiter verschenken ist höchst gefährlich. Schließlich kennt jeder jeden nachgewiesenermaßen um 6,6 Ecken. Da hat man dann ohne Absicht aber nichtsdestotrotz irgendeinem Potentaten mit Omis missratener Stachelbeermarmelade das Frühstück versaut und schon befiehlt der hunderte von Kilometern Stacheldrahtzaun. Möchte man jetzt auch nicht.

Die Folge all dessen:
Die in größter Einweck-Perfektion abgefüllte Hier-bitte-Obst-der-Wahl-einsetzen-Konfitüre macht von alleine keinerlei Anstalten, sich vor dem nächsten Millennium aufzulösen und okkupiert mangels eines klaren Neins auf die Frage nach Nachschub bereits mehrere Meter Kellerregal.
Natürlich kann man bei der Nachschub-Frage geistesgegenwärtig ein „Sonntags-” vor´s Kompott flanschen. Nichts erklärt besser die behutsame, ja geradezu exklusive Verwendung, ergo dauerhafte Ergiebigkeit. Blöd nur, dass einem solche Antworten immer erst hinterher einfallen. Und bei Mitbringseln aus dem Non-Food-Bereich – Bilder, Selbstgetöpfertes oder auch Haustürschilder aus Salzteig – hinkt die Argumentation ja auch ein bisschen.
Das eigentlich Problem an der ganzen Chose ist ohnehin die persönliche Beziehung zum Kreateur des Präsents. Insbesondere, wenn der/die zu einer gewissen Zimperlichkeiten neigt und ein beherztes, ehrliches und authentisches „BÄHHH-mach-ich-nich!” so gar nicht zu schätzen weiß.
Hauptsache handgeschrieben!
Und genau da kommt jetzt die moderne Lebensmittelindustrie ins Spiel und hilft uns aus dem Dilemma. Mit Marken und Verpackungen, TV-Spots und Websites, die so artig handgeschrieben, so echt mit Kreide gemalt und so natürlich auf Holzplanken, Schiefertafeln und vor quietschgrünen Wiesen fotografiert wurden, dass einem vor lauter handcrafted-Flair und self-made-Appeal ganz, ganz doll heimelig ums Herz wird. Fast so, wie bei selbst gemachten Geschenken. Aber eben mit dem feinen Vorteil, dass man bei Nichtgefallen niemandem persönlich auf den Schlips tritt bzw. treten muss.
Dieser Mangel an unmittelbarem Feedback in Kombination mit den stets gleichen Fragen der Marktforscher nach dem längst Bekannten könnte allerdings auch die Ursache solcherlei WWWs sein (WerbeWichsWelten), behaupten jedenfalls böse Zungen. Wer sich diesbezüglich eine eigene Meinung bilden möchte, dem empfehle ich unbedingt Twinfruit – Die Dose muss menschlich werden (nur bis 7. Dezember in der ZDF-Mediathek). Hier der Trailer:
Ich sag nur: „Dosenobst als problemlösender Begleiter im Alltag“
_
Als kleiner Gegenentwurf zur handgeschüttelter DIY-Romantik jetzt jedenfalls mein Moutarde d’égoïste. Wie der Name schon sagt ist der ausschließlich für euch selbst bestimmt, weil er für´s Mitbringen und Verschenken viel zu schade ist (und zu scharf).
Egoisten-Senf
Secret of Success des extra scharfen aber dennoch sehr runden, ausgewogenen und in der Küche enorm ergiebigen Mostrichs ist der Verjus, also der Saft unreifer Trauben, mit dem der Senf fabriziert wurde.
Ganz so, wie früher einmal der Dijon-Senf oder der Düsseldorfer ABB-Mostert, die heute schnöden Brandweinessig verwenden. Verjus fehlt mangels Essigsäurebakterien der typische, immer etwas stechende Essiggeruch, weswegen das Stöffle viel fruchtiger und erheblich milder als Essig ist. Selbst dann noch, wenn man den Verjus extra-sauer aus Graz bestellt.
Nicht minder empfehlenswert ist der herrlich herbe „Verjus du Périgord”. Der ebenfalls beim BOS gekaufte „Kœgler Rheingau Verjus” schmeckt hingegen eher wie saurer Apfelsaft, was mir als Essig-Alternative dann doch zu „lieblich” ist.
Zubehör:
So wie für all mein Gewürzgedöns eine simple (Kaffee-)Mühle mit Schlagwerk für schlanke 15 Eurolinchen.
Optional: Ein 0,5‑Liter-iSi + 2 Sahnekapseln für den Fall, dass ihr selbst Zitrusöl herstellen möchtet.
Zutaten für 200 g Egoisten-Senf:

- 35 (31) g Senfsaat, schwarz bzw. braun.
(12 bis 14 % der Gesamtmenge bleibt im Sieb hängen. Der Wert in Klammern ist also die voraussichtliche Netto-Ausbeute nach dem Sieben des Senfmehls).
Französischer Dijon- und Düsseldorfer ABB-Senf werden übrigens ausschließlich aus schwarzem Senf gemacht. - 35 (31) g Senfsaat weiß (gelb)
Im Gegensatz zum schwarzen Senf ist die Schärfe des weißen Senfes nicht flüchtig und mit Säure dauerhaft stabil. Dafür hat der schwarze bzw. braune mehr Wumms und sorgt für eine schön schlotzige Creaminess. Schwarz plus weiß fifty-fifty gemischt bringt einen dauerhaft stabilen, auch heiß noch hoch aromatischen Senf, der den bislang von mir präferierten Dijon-Senf lässig an die Wand spielt und kalt sämtliche Nebenhöhlen frei bläst.
- 5,7 g Salz
- 8 g Zucker (holländischer Basterd Suiker, Muscovado- oder Rohrzucker)
- 113 g Verjus (z. B. aus Graz oder aus dem Périgord)
- 11,3 g Zitrusöl (am besten per Rapid-Infusion selbst gepimpt, siehe Beitrag rechts unten)
Zubereitung:

70 g Senfsaat (fifty-fifty) so fein wie möglich mahlen. Wenn die Kaffeemühle dabei warm wird, macht das nix. Die Senfkörner vorher zu kühlen, wie gelegentlich im Web zu lesen, ist Unfug. Das führt nur dazu, dass Feuchtigkeit aus der Luft an den kalten Senfkörnern kondensiert (wie an einer kalten Fensterscheibe) und alles zusammen pappt.
Das frische Senfmehl sieben. Bei den 35 g je Sorte sind bereits 12 bis 14 % Reste im Sieb berücksichtigt.
5,7 g Salz, 8 g Zucker, 113 g Verjus und 11,3 g Zitrusöl verquirlen, bis sich Zucker und Salz aufgelöst haben.
Senfpulver und Gewürz-Sud zusammen kippen und verrühren. Und jetzt Achtung.
Ein dreifaches ACHTUNG!
Erstens: Frisch gemahlene Senfkörner riechen nicht nach Senf sondern irgendwie muffig. Scharf ist das Pulver auch nicht. Das kommt erst später.
Zweitens: Die Mischung ist im ersten Moment viel zu dünnflüssig. Das ändert sich schon nach wenigen Minuten. Über Nacht bekommt der Senf dann die zuvor gepriesene „schlotzige Creaminess“. Schmecken tut er allerdings noch so gar nicht, denn …
Drittens: Mischen und anschließend den Löffel ablecken könnt ihr vergessen! Frisch verquirlt ist der Moutarde d’égoïste ungenießbar bitter. Deshalb mindestens 3 Tage abwarten bis der Senf seine Bitteraromen ab- und die grandiose Schärfe aufgebaut hat.
Und wer sich als echter Egoist noch zusätzlich was Gutes tun will, dem seine noch die folgende pimp my mustard add-ons empfohlen (Mengen jeweils für 200 g Senf), die ich zusammen mit dem Herrn Frey entwickelt habe. Der Herr Frey ist übrigens der, der diese sensationellen Hundebücher und Toskanamänner-Romane schreibt und der mich mit seiner Honig-Senf-Kreation überhaupt erst dazu gebracht hat, Senf selbst zu mischen.

Fruchtiger Cranberry-Hibiskus-Senf
- 6 g Hibiskus, rote Malve
- 19 g getrocknete Cranberrys
- 12 g Wasser
Würziger Xmas Senf
- 7 g Zimtblüte
- 2 Stk. Nelke
- 0,8 g Kardamom-Samen (also nur die kleinen schwarzen Kerne)
- 0,7 g Sternanis
- 2,4 g Fenchel
- Das obere Zeugs in einer trockenen Pfanne rösten, bis es zu duften anfängt.
- 0,6 g Macis (Muskatblüte)
- 6 g Ingwerpulver
- 2,5 g Orangenschalen
- 20 g Wasser
Arabischer Harissa-Senf
Aber bitte nur mit selbst gemachter Harissa-Paste! Harissa aus der Tube besteht mittlerweile fast nur noch aus billigem Chili. Ich bevorzuge da diese Mischung. Davon 20 – 40 g auf 200 g Egoisten-Senf und schon fliegt die Grillwurst.
Und wie lange hält sich Egoisten-Senf?
Um eine ernstzunehmende Empfehlung auszusprechen, reichen meine Erfahrungen noch nicht aus. Reste der ersten Versuche stehen seit guten 5 Wochen im Kühlschrank und machen keinerlei Anstalten, schlecht zu werden. Ob der antibakteriellen Wirkung von Senf sollte das eigentlich auch noch etliche Monate so bleiben. Um auf Nummer sicher zu gehen, könnte man das Zeugs natürlich auch kurz erhitzen und quasi behutsam einwecken. Ob dann allerdings noch ausreichend Geschmack und Schärfe übrig bleibt ist fraglich. Aber zur Not kann man´s ja als mild-süßen „bayerischen Senf” deklarieren.
Wer hinsichtlich Haltbarkeit mehr weiß möge mir bitte in den Kommentaren auf die Sprünge helfen.
_
__________________________
Nachtrag 26.07.2016:
Stephan Schmitz von freihändig Kochen hat hier übrigens noch einen feinen Beitrag zum Thema Versus geschrieben.
Die Rezepte sind eine schöne Anregung, danke! Und die Schreibe – herrlich! Macht mich neidisch.
Danke, das freut mich. Mit irgendwas muss man ja die Kochfaulheit kompensieren 😋
Cool Danke für die Rezepte. Nach selbstgemachter Majo und Ketschup werde ich nun mal Senf probieren :-)
Uff, bin ich froh, dass es mir inzwischen gelungen ist, Selbstgemachtes in geschenklicher Anbahnung elegant abzulehnen. ;-)
Und ich behalte mein Zeugs auch lieber selbst. Manchmal wird allerdings um Orangenmarmelade gebettelt…
Ja, Ausnahmen sind ganz wichtig ;-)
Erste Klasse für Senf-Liebhaberinnen wie ich sie bin! Das wird auf alle Fälle nachgemacht- und ich weiß sogar wer sich darüber freuen könnte.
Erst mal du :-)
klaro, u.U simultan.…