
Mit dem Herrn Backwinkel von Mundfein über die Anuga zu stromern, ist stets ein großes Vergnügen. Zum einen, weil wir gewissenhaft jedwede Vorplanung vermeiden und einfach da stehen bleiben, wo´s gut riecht und lecker ausschaut. Zum anderen, weil wir uns prima darin ergänzen, immer wieder über spannende Genuss-Enthusiasten zu stolpern. Anuga-Aussteller, die man so eigentlich gar nicht auf dieser Veranstaltung erwartet hätte.
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Echt smakelijk: Apple Blossom, Yka Leaves und Dushi Buttons.
„Ui guck mal, was´n das?!“ haben wir definitiv an keinem Stand so oft gesagt, wie bei den zwei netten Damen von Koppert Cress. Die waren am letzten Messetag zwar etwas betrübt, dass wohl viel zu wenig Köche auf der Anuga waren. Dafür gab´s für uns aber noch genug zu probieren.
Anfangen durften wir bei den gerade einmal pflaumengroßen Pepquiño®, deretwegen wir überhaupt am Stand stehen geblieben waren. Mikro-Gürkchen mit einem Geschmack, der alles andere als mini ist. Anschließend ließen uns die Kräuter-Damen noch Yka-Leaves, Shiso- und JamPet-Leaves, Salty Fingers und vieles mehr testen, was ein Uiuiui nach dem nächsten provozierte. Einfach mal durch die Spezialitäten von Koppert Cress klicken. Das ist auch ohne direkten Kontakt hoch informativ, denn deren Geschmacksbeschreibungen sind gleichwohl kurz wie treffend.
Was nun die Beschaffung des Gemüses angeht: Das ist noch ein kleines Problem. Beim Grünzeughändler um die Ecke gibt´s die dekorativen Geschmacks-Hämmer wohl noch nicht (siehe Vertriebspartner) und die Düsseldorfer Metro verkauft bislang lieber langweilige Brunnenkresse als glitzernde BlinQ Blossoms®. Aber vielleicht muss man nur oft genug nachfragen ;-))
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Mit ohne alles: Herr Schumann lebt BASIC textur.
Abgesehen vom denglischen Produktnamen ist BASIC textur ein ungemein geniales Zeug, mit dem man Saucen, Cremes, Eis, Espumas (Schäume) und Emulsionen (z. B. Mayonnaise) eine phänomenale Cremigkeit, Textur und Standfestigkeit verpassen kann. Definitiv ohne jeden Beigeschmack. Ohne dass etwas mehlig oder schleimig wird, aufgekocht werden muss oder später nach quillt. Ohne Mehl, Gelatine oder Fett.

Es wäre wirklich nicht fair, den Herrn Schumann als Schaumschläger zu bezeichnen.
Eben (fast) ohne alles, denn Basic Textur besteht, so erklärte uns der leidenschaftliche Koch und Lebensmitteltechniker Martin Schumann, ausschließlich aus Albedo, dem weißen Gewebe der Zitrone. Und hätte ich nicht den Herrn Backwinkel dabei gehabt, dem immer genau so viele Fragen einfallen, wie ein Limonenbutter-Espuma Bläschen hat, dann wär´s das wohl auch gewesen. So wissen wir jetzt aber, dass man sich mit Martin Schumann gar trefflich verquatschen kann, haben jede Menge Spannendes gelernt und Leckeres probiert und schlussendlich auch noch gute 1,5 kg Basic Textur mit auf den Weg bekommen, die uns beim Bos nicht unhappige 20 Euronen plus Versand gekostet hätte. Und nicht dass hier der falsche Eindruck entsteht: Auch bei fünf und noch mehr Kilo wäre ich nicht zu so viel Überschwänglichkeit bereit, wenn das Zeug nix könnte.
Kann es aber, wie ein erster Test am letzten Samstag gezeigt hat. Da galt es nämlich ein fein-cremiges Spinatsößchen vorzubereiten. Und zwar mittags, LAUWARM und mit dem Plan, die Sauce abends HEISS zu den Wachtelei-Ravioli zu servieren.
Und siehe da: Mit der gleich sahnigen Textur, mit der ich die Sauce mittags fix und fertig in den Kühlschrank gestellt hatte, kam sie abends heiß auf die Teller – trotz erhitzen und ohne irgendeine Nachbesserung. Und natürlich deutlich „schlanker“ als wenn ich sie konventionell gebunden hätte.
Der Herr Backwinkel hat dann so gegen Mitternacht noch flugs n Maracuja-Eis mit seinem KitchenAid-Eispott gezaubert, das an zartschmelzender Sanftheit (man möge sich hier im Hintergrund bitte ein mittelgroßes Ensemble aus Streichern vorstellen) nicht zu überbieten war und das dank der Albedo-Zugabe auch tatsächlich spürbar länger fest geblieben ist. Fazit: nicht billig aber große Klasse!
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Ziemlich gemein: Profi-Brett jetzt auch für Kochzivilisten.
Mit diesen fetten Profi-Schneidbrettern von Marschollek liebäugelte ich schon im vorletzten Jahr. Nicht zuletzt ob der bunten, mit einem Klick austauschbaren Auflagen (bunt wegen der HACCP-Vorgaben für Profiküchen). Dank der keineswegs schlanken 106 Euronen für das 40x60cm-Board, das sowieso in keine haushaltsübliche Spülmaschine gepasst hätte, und dank der Erkenntnis, dass Kochzivilisten im Grunde genommen nicht wirklich sechs Auflagen brauchen, siegte 2011 die Vernunft.

2013 hinterging der Hersteller diesen meinen Wiederstand auf perfideste Art und Weise mit einer Private-Collection. Die hat nämlich bloß drei statt sechs bunte Auflagen, ist nur halb so dick wie das „ProfBoard“ und kostet dafür im spülmaschinentauglichen Format von 30 x 50 cm jetzt plötzlich nur 55 €. Erster Eindruck bei der Schnippelei zur NudelNight (Beitrag folgt die Tage): Das Teil steht wie angedübelt. Die Auflage lässt sich prima „abklipsen“ und spülen, was schneller geht als das ganze Brett ins Spülbecken zu wuchten. Beim Zerteilen eines Kaninchens war die Auflage allerdings ungewohnt rutschig. Mhm … _
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Nachhaltig nussig: Kernöl vom Raps (von wegen Pinselreiniger!)
Tja, Vorurteile soll man ja pflegen. Gelegentlich darf man sie aber auch revidieren: Rapsöl taugt nämlich keineswegs bloß als „Biokraftstoff oder als Grundstoff für Farben, Kunststoffe oder Kaltschaum” [Wikipedia], sondern ist – hat man das richtige Stöffle – eine ganz famose Sache, wie uns der Herr Kramer von der Teutoburger Ölmühle direkt mal schmecken ließ. Besonders angetan hatte es mir das Raps-KERNöl, das kalt (Mühle wird sogar extra gekühlt) und vor allem ohne die dunklen Schalen der Rapskörner gepresst wird, so dass alles draußen bleibt, was fies schmeckt und sonst mit allerhand Chemie entfernt bzw. raffiniert werden muss. Das Ergebnis dieses Bemühens hat mich insofern verblüfft, als dass Raps-Kernöl tatsächlich intensiv nussig schmeckt. Wohlgemerkt „schmeckt“, denn Arganöl etwa riecht nur nussig, schmeckt aber nach nix. Raps-Kernöl hingegen hat einen dezent grünen Duft mit einem Hauch Raps und ein deutliches Nussaroma auf der Zunge. Kurzum: Herrn Kramers Probepulle is schon zur Hälfte leer.
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And now for something completely different. Kommen wir zu all dem, was interessant oder kurios war oder was mich etwas unschlüssig zurückgelassen hat. So zum Beispiel Messer in Balance, Energy-Würstchen sowie Nudeltoast und Wurstsalat in Scheiben.
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Pro-Balance Messer: Sinn oder Unsinn?
Interessant sehen sie aus, die Pro-Balance Messer mit ihren bunten Verschlusskappen am Griffende. Und dass man den Schwerpunkt der Messer durch verstellbare Gewichte im hohlen Griff selbst seinen eigenen Vorlieben anpassen kann, klingt spannend. Zumindest bis man sich die Frage stellt, warum die Messer nicht direkt gut ausbalanciert, also am Übergang zwischen Klinge und Griff im Gleichgewicht sind. Denn so schnippelt es sich eigentlich am entspanntesten, dachte ich immer. Aber vielleicht gibt es ja neue Erkenntnisse, warum und wann ein Messer Übergewicht nach vorne oder hinten haben sollte. Doch genau das steht da nicht – Design-Awards hin oder her!
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Tauretti, du kleines Koffeinwürstchen.
Die kleinen Schlingel aus Österreich schmecken gar nicht übel, wie ein mutiger Selbstversuch vor einigen Stunden gezeigt hat. Die Frage ist nur: Kommt es überhaupt zum Verzehr oder wird der gemeine „Energy-Stick“-User nicht von den etwas irritierenden Aussagen auf der Tauretti-Verpackung vom Genuss-Vollzug abgehalten?
Ich denke da zum Beispiel an die Rückseite, auf der zu lesen ist: „Für 100 g Tauretti verwenden wir 152 g Schweinefleisch und 38 g Rindfleisch.” [sic] Nun, die Differenz zwischen 100g luftgetrockneter Wurst und 190 g rohen Fleisches kann man sich mit etwas Nachdenken erklären. Aber warum ziert die Vorderseite der Packung ein Taurus – lat. Stier – wenn der gerade einmal 20 % der Fleischmasse ausmacht?
Vielleicht deshalb, weil sich des Würstchens kraftvoller Name gar nicht auf die Zutat Rind, sondern auf die Zutat Taurin bezieht, der man in Energy Drinks nachsagt, die Wirkung von Koffein zu steigern. Was vermutlich auch nötig ist, um einen während der nächsten, längeren Autofahrt munter zu halten. Mit 100mg Koffein pro 100g Würstchen enthalten Taurettis zwar genau so viel Koffein wie ein Espresso. Da das ganze Teil aber bloß 12,5 g auf die Waage bringt und somit nur 12,5 mg Taurin enthalten kann wären schon zwei, drei Taurettis nötig, um einen vernünftigen Espresso zu ersetzen. Aber vielleicht haut Taurin ja tatsächlich so rein. Und da so langsam die belebende Wirkung der Test-Tauretti nachlässt, zum Schluss nur noch zwei Bilder. _
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Wurstsalat in Scheiben und Nudeltoast
Bei Scheibenkäse längst üblich, im Wurstmarkt wohl noch eine Innovation: Die wiederverschließbare Verpackungen. Zum Nudeltoast sag ich nix. Das muss jeder mit sich selbst ausmachen ;-)


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