
Die Mini-Serie über Sachen, die manche nicht mögen, die aber saulecker sein können, bekommt heute ihren zweiten Teil. Man darf also mit Fug und Recht von einer Serie sprechen. Und im Gegensatz zum ersten, eher zahmen Fenchel-Anis-Beitrag jetzt sogar mit Igittigitt!-Garantie. Schließlich geht es im Folgenden um Geflügelmägen und ‑herzen. Letztere, die Herzen, sind ob ihrer Form für des Kochzivilisten familieninterne Namensgebung verantwortlich: man nennt es bei uns ein wenig spätpubertär aber keineswegs respektlos Pimmel-Frikassee.

Aber der Reihe nach: Als kleiner Junge, so kurz vor Anfang des dritten Drittels des letzten Jahrhunderts, wäre eine Hühnerbrühe ohne Leber, Herz, Magen und Hals undenkbar gewesen. Meistens bekam ich die Teile (Hals: Igittigitt!), weil ich damals eher schmal daher kam. Eine Erscheinungsform, die ich später prima umkehren konnte. Geblieben ist aber bis heute die Lust am kräftigen Geschmack und am Biss von Herz und Magen. Auch wenn ich damit heute vermutlich zu einer Minderheit gehöre.
Als ich beispielsweise Anfang der 2000er Putenherzen an einem Marktstand in Ratingen erblickte und erwarb (sehr lecker und weniger Schnippelei, weil größer), wurde ich von der älteren Dame neben mir gefragt, wie denn meine Katze hieße. Gut daran: Deren Stubentiger lebte eindeutig in Saus und Braus. Weniger gut: Innereien laufen in den Köpfen vieler unter Tierfutter, was sehr, sehr schade ist.
Nebenbei: Wir hatten nie eine Katze, allerdings Jahre später regelmäßigen Besuch, je nach Wetter sogar mit Übernachtung, von unserer »GP«, unsere Gast-Pussy. Die war mit Fleischabschnitten jeder Art glücklich, welche gelehrige Gast-Pussy-Beherberger nach kurzer Anlernzeit artig bevorrateten.
Und 2022? Nun, Fergus Hendersons Nose to Tail, erstmals 1999 veröffentlicht, hat sich bis heute nicht wirklich durchgesetzt. Vom Kamm bis zur Kralle auch nicht. Das bestätigte auch der Metzger meines Vertrauens, bei dem ich kürzlich ein gleichwohl hübsches wie regionales Freiland-Huhn erstand und eher rhetorisch anmerkte, dass die Innereien wohl im Bauch zu finden seien (in einem kleinen Plastikbeutel im Huhn-Inneren. Deshalb Innereien). Vom Metzger erhielt ich zweierlei: Einen verdutzten Blick sowie folgende Klarstellung: Nein! Das würden Kund:innen schon seit Jahren nicht mehr wollen. Hätte ich vorbestellt und zudem laut und vernehmlich »MIT ALLES!!1!« durch seine Metzgerei gebölkt, hätte er mir den Gockel auch komplett bestellt. Geflügelleber sei natürlich da. Die ginge gut. Spontan könne er aber nicht exakt beziffern wie groß der wahlweise absolute oder prozentuale Anteil von Katzenhalter:innen an der Grundgesamtheit der Geflügelleber-Käufer:innen sei – Marktforschung, so wichtig – und wie die Katzen hießen. (Was man aus Geflügelleber machen kann, lest ihr hier.)
Nun hat unser kleiner Drecksack – alias Luke, Glatthaar-Foxterrier, 6 ½ Jahre, 10,4 Kilo, 41 cm (falls jemand fragt) – schon immer Probleme mit seinem Gekröse. Rasse-typisch binär, also 1 = Aua, dann auch richtig. 0 = Der Hund hat verdammt hohe Blutwerte beim Pankreatitis-Marker (Bauchspeicheldrüse), ignoriert aber konsequent die einschlägige Fachliteratur und befindet sich selbst für topfit. Die Tierärztin schließt sich seiner Meinung an. Ein Zustand, mit dem Hund und Halter seit zwei Jahren prächtig leben können. Was ich zur Umstellung seines Futters auf bauchspeicheldrüsenfreundlich getan habe, erahnt ihr hier.
Jedenfalls kocht der Chef im Ring – keine Ahnung, warum der Hund gerade so maliziös grinst – alle sechs Wochen einen Zwanzig-Liter-Pott mit oben genannten Zutaten: plus Kalbsherz, Kartoffeln, Möhren und duftendem Basmati-Reis. Schön lange, schön schlotzig und so lecker, dass ich dem Hund bisweilen das ein oder andere Löffelchen weg genascht habe. Ich darf das. Ich hab Daumen und bin der Chef, glaube ich.
Warum ich das hier erzähle? Weil Lukes Nassfutter seit einem Jahr nicht mehr mühselig von Hand geschnitten, sondern binnen Minuten durch den Fleischwolf der KitchenAid geschossen wird. Komplett, wobei ich bei den Mägen natürlich darauf achte, dass die raren Reste vom Inneren des Kaumagens (gelb, hart, rubbelig) draußen bleiben.
Solcherart vom Hundefutter inspiriert nun zum Ragout vom inneren des Huhns.
Herz-/Magen-Ragout
Grob gewolft wie das Hack einer Bolognese und damit die fixen Variante des Frikassees ganz ohne Schnippelei, dafür direkt mit drei Learnings.
- Geflügelherz und Geflügelmagen, egal ob ganz oder durch den Fleischwolf gedreht (gewolft), sind zwar sehr feste, aromatische Muskeln. Sie speichern dennoch viel Wasser. Diese so anzubrutzeln, dass eine Bräunung, eine Maillard-Reaktion stattfindet, erfordert eine große, blitzheiße Pfanne. Und sehr viel Geduld für’s Anbraten in ganz, ganz kleinen Portiönchen.
- Der Effekt dieser wenig küchenfreundlichen, weil saumäßig spritzenden Aktion ist hinterher kaum bis gar nicht zu schmecken. Kulinarisch bringt das nix. Merke: Ein Huhn ist kein Rindviech, wie man auch sehen kann.
- Nehmt Butter statt Öl, Wenn doch sowieso keine Maillard-Reaktion stattfindet braucht es auch kein hoch erhitzbares Fett aber die feinen Aromen einer gebräunten Nussbutter.
Zutaten
- 800 g Hühnerherzen
- 800 g Hühnermägen
- Fischsauce, hell. Salz geht auch, Fischsauce schmeckt aber besser und riecht auch wirklich nur in der Flasche nach Fisch.
- Pfeffer, am besten Ingo Hollands Mélange Blanc (Kochzivilisten-Pfeffer ist hier leider nur zweite Wahl.)
- 200 ml trockener Weißwein + 200 ml Noilly Prat-Wermut (Alternativ: Wein plus Kokosmilch)
- 1 Tl. Muskatnuss, frisch gerieben
- 7 – 8 Lorbeerblätter, wer frische hat nimmt die.
- Zum Frikassee: zirka 220 – 250 g persischer Sadri-Reis
- Im Ragout: Basmati.
Alternativ gehen auch mehlig kochende Kartoffel. (Alles zusammen, also Kartoffeln + Reis + Möhren + Kalbsherz, sind exklusiv für unseren Hund, dass das klar ist.)
Optional:
- Zitronenmyrthe oder Kaffirlimettenblätter. Das eine oder das andere extra fein mahlen! Oder frisches Zitronengras, ganz aber ein wenig plattgeklopft.
- Zum Schluss: 1 Löffelchen Kapern als Topping oder Koriander-Grün, was beides nicht immer gemocht wird und insofern trefflich zur Serie passt.
- Unnötig: Weitere Kräuter, Knoblauch oder sonstige Gewürze. Sowohl Frikassee als auch Bolo/Ragout punkten mit intensivem Hühnchenaroma und mit einem wunderbaren Biss. Zähmt euren Würzdrang!
Vorbereitung Frikassee:

Hier müsst ihr ein wenig Zeit investieren. Beim Herzen wird das Venen-/Arterien-Gedöns abgeschnitten. Aber nur aus optischen Gründen, es wäre alles essbar. Besonders pingelige Zeitgenossen halbieren die Herzen noch, weil sehr selten noch ein Fitzelchen Blut in den Kammern steckt.
Bei den Mägen könnt ihr euch die Mühe machen, nur die zwei kleinen Muskelpäckchen vom Rest zu parieren. Oder ihr schneidet die kompletten Teile einfach in schmale Streife – mit allem. Nach vier Stunden sanften Simmerns ist alles zart.
Zubereitung Ragout (Bolo):
Spart euch den Aufwand. Alles durch die grobe Scheibe des Fleischwolfs drehen und gut is.
Um das Ragout abzubinden empfiehlt sich eine klassische Mehlschwitze (45 g Butter, 40 g Mehl).
Eine tolle Beilage ist knuspriger Sadri-Reis. Der ist zwar teuer und kann gelegentlich ob des amerikanischen Iran-Embargos auch nicht mit allen Zahlungs-Optionen geordert werden, lohnt sich aber ungemein (z.Z. scheint wieder alles zu gehen). Und es braucht auch kein Hightech-Reiskocher-Gedöns, um dem Sadri-Reis seine typisch knusprige Kruste am Boden zu verpassen (nicht hart wie bei anderen Reissorten, sondern zart-knusprig). Eine beschichtete Pfanne mit Deckel tut‘s auch.
Zubereitung Frikassee und Bolo:
Butter erhitzen bis sie zu bräunen beginnt. Alles auf einmal in den großen Pott – portionsweise bringt sowieso nix. Euer Topf wird schon wieder heiß.
Sobald alles einmal durchgegart ist mit Fischsauce würzen, die Weißwein-Wermut-Mischung (je 200 ml) angießen sowie Muskatnuss plus Lorbeerblätter dazugeben. Gepfeffert wird wie immer zum Schluss. Wie gesagt, am besten mit Ingo Hollands Mélange Blanc.
Lasst beidem – Frikassee und Ragout/Bolo – 4 Stunden Zeit. Keine Sorge, sie behalten den Biss.
Gebt beim Ragout (Bolo) den Reis nach 3 Stunden (aber auch nicht später) dazu. Der nämlich soll keinen Biss mehr haben. Der zerkochte Reis dient dazu, die Bolo abzubinden und hübsch schlotzig zu machen. Bei einem nicht beschichteten Topf empfiehlt es sich, den Reis oben aufzustreuen und NICHT direkt unterzurühren. Dann quillt er oben und minimiert die Gefahr des Anbrennens.
Wer es etwas zitronig mag: Blätter der Zitronenmyrthe oder Kaffirlimettenblätter oder Zitronengras würde ich erst mit dem Reis dazu geben. Zitronenmyrthe behält zwar von allen dreien am längsten sein Aroma, verliert nach vier Stunden aber dennoch spürbar.
Flux addiert kommt auf gute zwei Kilo Ragout oder Frikassee. Das schafft man zu zweit problemlos an zwei Abenden. Oder an einem, so man die zweite Hälfte einfriert. Soweit mein Hundefutter-Rezept für Zweibeiner ;)
Mit Tag(s) versehen: Bolo, Bolognese, Frikassee, Geflügelherz, Geflügelmagen, Gekröse, Innereien, Ragout, Sadri-Reis
Ich kenne das Säckchen mit den Innereien auch noch, bei den Hohenloher Freilandhähnchen findet man das zu meinem Entzücken immer noch
Ich mag das auch sehr gerne.
Wie macht/nutzt ihr denn Geflügel-Innereien: in der Suppe, als Frikassee, portiöncheweise gebraten oder …?