Heu­te geht es aus­schließ­lich um gabelz­ar­te Bein­schei­be, mit­hin um Flei­sches­lust pur. Und um die in die Jah­re gekom­me­ne Küchen-Kin­ker­litz­chen-Rei­he. Klei­ne Rezep­te also, die für des Koch­zi­vi­lis­ten Hang zur Weit­schwei­fig­keit schlicht nicht genug her­ge­ben, die aber trotz­dem so und nicht anders auf den Tel­ler gehö­ren. Und all das sogar ganz ohne Sei­ten­hie­be auf anae­rob Den­ken­de (man ach­te auf die gen­der­ge­rech­te Schreibweise!). 

Die letz­te Zei­le des Intros brach­te mich aller­dings kurz zu der Über­le­gung, ob ich wohl „Bein­schei­be, die” gen­dern müs­se, also fort­an bes­ser Beinscheibe*r tex­ten sol­le. Nicht nur, weil nicht klar ist und ja auch nicht mehr geklärt wer­den kann, ob sich das Rind­vieh nun männ­lich, weib­lich oder sonst wie fühl­te. Son­dern auch, um nicht von reso­lu­ten Gender-Beauftragten*innen vor des Koch­zi­vi­lis­ten Bein gepie­selt zu bekom­men. (Koch­zi­vi­lis­ten ist ein Eigen­na­me. Da muss nix gegen­dert wer­den.) Doch zum Glück heisst’s ja DAS Osso­bu­co. Womit ich hübsch aus dem Schnei­der bin und Stern­chen nur als Fuß­no­ten-Zei­chen ver­wen­de, wenn überhaupt.

Noch eine kur­ze Anmer­kung zum Osso­bu­co: Es han­delt sich im Fol­gen­den natür­lich nicht um die klas­si­sche, geschmor­te Vari­an­te mit viel Gemü­se, kräf­ti­gem Anbra­ten und einer dicken Soße zum noch dicke­ren Kar­tof­fel­stampf. Zum einen, weil das alles ande­re als faul wäre – die Chall­enge die­ses Bei­trags. Zum ande­ren, weil ich das hier gera­de bei gepfleg­ten 36 ° Außen­tem­pe­ra­tur tip­pe. Da is einem nicht so nach bot­ter Soße, son­dern eher nach leicht. Soweit jeden­falls, wie eine Bein­schei­be das zu lässt.

Gerätschaft:

  • Der uralte Kon­troll-Fröm­mel zeigt immer 7 °C zu viel an. 120 °C reicht völlig.

    Einen mäch­tig gro­ßen Brä­ter / Brat­rei­ne mit Deckel, alter­na­tiv Alu­fo­lie statt Deckel. Anmer­kung:  Da wir hier nur mit einer Tem­pe­ra­tur von 120 °C arbei­ten – im Back­ofen und ohne vor­he­ri­ges Anbra­ten –, tut’s auch ein preis­wer­tes, Haupt­sa­che gro­ßes Teil. 
  • Einen gro­ßen Stein­mör­ser für die wei­chen Zuta­ten der Würzpaste,
  • eine klei­ne Elek­tro-Kaf­fee­müh­le für die har­ten Gewür­ze und
  • selbst­ver­ständ­lich die obli­ga­to­ri­sche Löf­fel­waa­ge, es sei denn Käse-Fon­due für 100 Mann ent­spricht eurer übli­chen Küchenplanung.

Hauptzutaten:

  • 2,6 – 2,8 Kilo Bein­schei­be vom Kalb für vier Per­so­nen. Das sind zwei ordent­li­che Kalbs­bei­nen wie im Bild gezeigt. Und ja, da es nur ein paar sehr aro­ma­ti­sche, mit zwei Stü­cken Kalbs­mark sous-vide gegar­te Kartöf­fel­chen dazu gab, braucht’s schon die Men­ge. Es war wirk­lich nichts mehr übrig – bei drei sport­lich-zier­li­chen Damen und mir (beken­nend unsport­lich und infol­ge des­sen auch eher unzier­lich). Aller­dings beschränk­te sich die Vor­spei­se auf einen ordent­li­chen Drink. Wie gesagt: Faul­heit siegt!
  • 1 kg Le Rat­te (NICHT im Bild.) Das Foto zeigt die­se vio­let­ten, roh ange­schnit­ten unge­mein deko­ra­tiv aus­se­hen­den Kar­tof­feln, die bei jeder Form der Zube­rei­tung gleich­mä­ßig fahl-lila wer­den und hin­ter­her recht untot auf dem Tel­ler düm­peln. Farb­lich so zwi­schen Zom­bie und Dra­cu­la, geschmack­lich hin­ge­gen deut­lich lebhafter.
  • 2 Stk. Mark: Und zwar das Mark der jeweils ers­ten, dicks­ten Bein­schei­be, also zwei bei zwei Bei­nen. Die soll­tet ihr übri­gens auch dann ent­fer­nen, wenn ihr das Mark nicht direkt ver­wen­det, weil sonst der Bra­ten­saft des Osso­bu­co zu fet­tig wird.
  • ½ fein gerie­be­ne Mus­kat­nuss. Min­des­tens, bes­ser mehr!
  • 1 Zweig Rosmarin
  • Koch­zi­vi­lis­ten­pfef­fer und Salz
  • KEI­NE But­ter, dafür ist ja das Rin­der­mark da!

Würzpaste

Tro­cken rös­ten (nur ein klei­nes bisschen)

  • 1,5 g Zimt­blü­te [oder 1,0 g Zimtrinde]
  • 0,8 g Sternanis
  • 1,3 g Wacholderbeeren 
  • 1,7 g Muskatblüte

Mah­len und mör­sern. Und zwar so gründ­lich, dass Toma­ten­flo­cken bzw. getrock­ne­te Toma­ten, Knob­lauch und Cran­ber­rys nicht mehr zu erken­nen sind.

  • 8 g Koch­zi­vil­si­ten­pfef­fer [alter­na­tiv: 6,4 g Tel­li­cher­ry-Pfef­fer + 1,6 g Piment] 
  • 13 g Senfsaat
  • 27 g Toma­ten­flo­cken (getrock­ne­te Tomaten)
  • 4 g Sumach (gibt dem gan­zen ein wenig Säu­re und damit Leichtigkeit)
  • 17 g Salz
  • 9 g Knob­lauch, frisch
  • 30 g getrock­ne­te Cranberrys
  • 30 g Sesam­öl, dun­kel, also aus gerös­te­ter Sesamsaat
  • 10 g Chin­kiang-Essig, schwar­zer chi­ne­si­scher Essig. Auch sonst eine Berei­che­rung für die Küche.

Die Cran­ber­rys geben einen Hauch Süße und Frucht und sind zusam­men mit den getrock­ne­ten Toma­ten spä­ter nicht mehr iden­ti­fi­zier­bar, was unbe­dingt gewollt ist. Sumach sorgt für genau die Säu­re, die beim klas­si­schen Schmo­ren der Schuss Wein addiert. Sesam­öl, dun­kel, sorgt für ein paar Röst­aro­men ohne Anb­rat-Saue­rei in der Küche. Wie gesagt: Faul­heit siegt!

Der Rest ist Geschmack­sa­che. Etwas mehr Zimt­blü­te und Stern­anis könn­ten passen.

Zubereitung: 

Gewürz­pas­te: Die ange­rös­te­ten Gewür­ze und alles von Pfef­fer bis Salz könnt ihr vor­ab in einer Gewürz(Kaffee)mühle pul­ve­ri­sie­ren. Das erspart Mus­kel­kraft am Mör­ser. Die­se Kom­po­nen­ten plus aller ande­ren Zuta­ten kom­men dann in den Mör­ser. Ziel ist kein gro­bes Gebrö­sel, son­dern eine mög­lichst fei­ne Pas­te, weil man spä­ter so dar­auf ver­zich­ten kann – Faul­heit siegt! –, den Bra­ten­sud von gro­ben Cranberry‑, Toma­ten- oder Knob­lauch­stück­chen befrei­en zu müssen. 


Osso­bu­co: Kei­ne ein­zel­nen Schei­ben, son­dern gan­ze Bei­ne: Kno­chen gesägt aber Fleisch an der Unter­sei­te nicht durch­ge­schnit­ten. Die Bein­schei­ben wer­den so auf­recht und nicht flach neben­ein­an­der lie­gend gegart, was logi­scher­wei­se Platz im Pott spart.

Würz­pas­te zwi­schen die Osso­bu­co-Schei­ben pap­pen. Pap­pen, weil sich die fes­te Pas­te nur schwer ein­rei­ben lässt, was aber nichts macht. In den nächs­ten Stun­den ver­teilt sich das alles ganz prima. 

Bei 2,6 bis 2,8 Kilo rei­chen übri­gens ½ bis ⅔ der Pas­te. Der Rest hält sich ziem­lich ewig im Kühl­schrank. Wei­te­res Wür­zen ist damit kom­plett unnö­tig. Faulheit …

Osso­bu­co NICHT anbra­ten. Brä­ter mit Fleisch und Deckel ein­fach in den Back­ofen schie­ben, auf 120 °C auf­hei­zen und für 6 ½ bis 7 Stun­den vergessen. 

Die lee­ren Kno­chen der zwei vor­de­ren, größ­ten Bein­schei­ben ent­sor­gen. Rest­li­ches Fleisch von den mit Mark gefüll­ten Kno­chen zup­fen und alles im Brä­ter auf den Tisch stellen.

Ein Bund Peter­si­lie fein hacken, tro­cken mit einem Tee­löf­fel Sumach mischen (auch hier lohnt die Säu­re des Sumach) und über die gabelz­ar­ten Bein­schei­ben streuen. 

Gibt’s in jedem tür­ki­schen Lebens­mit­tel­ge­schäft und schmeckt klasse!

Dazu Kar­tof­feln, egal ob sous vide, gegrillt, gebra­ten, gekocht, frit­tiert, gestampft oder sonst wie …. Haupt­sa­che die Bei­la­ge saugt den famo­sen Bra­ten­saft auf. Alter­na­tiv geht auch der ganz gro­be, nicht geschro­te­te Bul­gur, so man davon 1 Stun­de vor fer­tig ein Schäl­chen in den Bra­ten­saft des Osso­bu­cos kippt. 

Bei uns gab’s jeden­falls sous vide gegar­te Kartöf­fel­chen, blö­der­wei­se die lila­far­be­nen. Zusam­men mit dem Rin­der­mark der ers­ten zwei Bein­schei­ben, Salz, Pfef­fer, einem Ros­ma­rin­zweig und einer ordent­li­chen Por­ti­on Mus­kat­nuss (½ oder mehr darf es schon sein) nach 2 Stun­den bei 80 °C geschmack­lich ne Wucht, optisch eher ein Desaster.

Hätte man das besser machen können?

Gering­fü­gig. Dafür aber mit erheb­lich mehr Anb­rat- und Schnip­pel-Gedöns, also mit völ­lig unfau­lem Küchen­ver­hal­ten. Und wer auf die Pas­te ver­zich­tet und kon­ven­tio­nell würzt oder die schon ein paar Tage vor­her fabri­ziert, kommt mit unter 5 Minu­ten Vor­be­rei­tungs­zeit aus. Ein unschlag­ba­res Auf­wand-Ergeb­nis-Ver­hält­nis. Nicht zuletzt, weil das vie­le Kol­la­gen der Bein­schei­be eben erst dann zu saf­ti­ger Gela­ti­ne schmilzt, wenn man dem bei wenig Hit­ze viel Zeit lässt (hier ein hüb­scher Bei­trag zum The­ma). Faul­heit ist in die­sem Fal­le also äußerst förderlich. 

Und wer nun doch eher an den bot­ten Klas­si­ker her­an kom­men will: Den Bra­ten­sud zur Soße anzu­di­cken und noch ein wenig Polen­ta zu rüh­ren, zu rüh­ren und noch­mal zu rüh­ren, soll­te wohl kein Pro­blem sein. Es sei denn, die Faulheit …