Brot­ba­cken – tol­le Sache, so man es kann. Ich kann’s nicht, jeden­falls nicht ohne das ein oder ande­re Hilfs­mit­tel aus dem Hob­by­bä­cker-Ver­sand. Mit dem Zeugs klappt’s präch­tig, wie man noch heu­te in einem sehr frü­hen Blog­bei­trag lesen kann. Ohne dem sind die Ergeb­nis­se stets mit­tel- bis sau­mä­ßig, wofür es einen plau­si­blen Grund gibt: Planlosigkeit. 

Back­lust über­fällt den Koch­zi­vi­lis­ten näm­lich plötz­lich, ergo plan­los. Bei­spiels­wei­se Sams­tag vor­mit­tags wenn der Man­trai­ling-Kurs mit Luke aus­fällt. Das Resul­tat sol­cher Spon­ta­ni­tät ist ein Man­gel an Vor­be­rei­tung, weil der Frei­tag ja nun schon rum und der Sonn­tag längst ander­wei­tig ter­mi­niert ist. Is also nix mit Vor­teig am Frei­tag­abend. Schon gar nicht, mit selbst fabri­zier­tem Sau­er­teig. Denn wer so wie ich nur alle paar Mona­te dem Back­wahn ver­fällt, bringt jeden fri­schen Sau­er­teig auf das gründ­lichs­te um. Spon­ta­ni­tät ist eben kei­ne gute Vor­aus­set­zung für eine kon­se­quen­te, lebens­ver­län­gern­de Sau­er­teig­si­che­rung (weiß jetzt auch nicht, war­um ich bei dem Begriff an Horst See­ho­fer den­ken muss). 

Kurz­um: Ein Teu­fels­kreis, dem man, so der heh­re Plan, am bes­ten ent­kommt, indem man flei­ßig Blogs von Leu­ten liest, die Ahnung haben. 

Dass sich der gewünsch­te Effekt, end­lich rich­tig und nicht mehr nur Hilfs­mit­tel-abhän­gig backen zu kön­nen, den­noch nicht ein­stel­len woll­te, lässt sich leicht erklä­ren. Schuld dar­an sind, das muss hier ein­mal in aller Deut­lich­keit gesagt wer­den, die geschätz­ten Bloggerkollegen/​innen, die nichts Bes­se­res zu tun haben, als einem alle Nase lang präch­ti­ge, höchst respekt­ein­flö­ßen­de Back­erzeug­nis­se um die Ohren zu hau­en. Also im über­tra­ge­nen Sin­ne, ver­steht sich. 

Wäre schließ­lich scha­de um die famo­sen Baguettes, die Wer­ner bei Cucin­a­epiu zele­briert. Oder um die Bro­te der geschätz­ten Chris­ti­ne von Anna Anto­nia, die ihren selbst­ver­ständ­lich selbst gemach­ten und regel­mä­ßig gepfleg­ten Lie­vi­to Mad­re für alles benutzt, was nicht bei drei die Back­ofen­klap­pe hin­ter sich zuge­zo­gen hat. Und natür­lich Susan­na von Mehl­staub und Ofen­duft oder Lutz Geiß­ler (bit­te mal goog­len, lohnt sich), dem Groß­meis­ter vom Plötz­blog, des­sen „Brot­back­buch Nr. 1” auch mein Koch­buch-Regal ver­edel­te, bis ich es mal ver­lie­hen habe – an wen auch immer?!

Um es jetzt kurz zu machen: Nach vie­len Jah­ren spon­ta­ner Plan­lo­sig­keit oder plan­lo­ser Spon­ta­ni­tät obsieg­te der Wunsch, es nun mal anstän­dig zu machen. Also backen, is klar, ne!

Als regel­mä­ßi­ger Leser von Car­men und Harald Mahrs Selbst­ver­sor­ger-Blog CAHA­MA stieß ich – welch Glü­ckes Geschick, Par­al­le­li­tät der Ereig­nis­se oder ein­fach nur Omen – bei­na­he zeit­gleich zum muti­gen Pro­jekt auf ein mäch­tig def­ti­ges Bau­ern­brot-Rezept aus 70 % Rog­gen- und 30 % Wei­zen­mehl. Ver­füh­re­risch. Nicht zuletzt, weil es hübsch ein­fach erklärt war und zunächst auch recht sim­pel wirk­te, hät­te ich denn ASG im Haus gehabt.

* Nein, ich krieg nix von denen, fin­de aber, dass deren Pro­duk­te für Back-Pfei­fen wie mich enorm hilf­reich sind.

Zur Erklä­rung: ASG steht nicht für Anle­ger­schutz­ge­mein­schaft, son­dern für Anstell­gut, was sich inso­fern trifft, als dass ich von bei­dem kei­ne Ahnung habe. Klar war aber, dass es sich wohl mit Anstell­gut, ali­as (Roggen)-Sauerteig, bes­ser backt als ohne, wes­halb Rog­gen­sauer stark * ein­ge­setzt wur­de – getrock­net statt frisch.

Außer­dem ver­lang­te das Ori­gi­nal­re­zept nach fri­scher Hefe. Also jenen wohl­duf­ten­den Wür­feln, deren Res­te sich in unse­rem Kühl­schrank stets die am wenigs­ten obser­vier­ba­re Ecke aus­su­chen, um dann irgend­wann hin­sicht­lich Geruch und Kon­sis­tenz völ­lig die Fas­sung zu ver­lie­ren. Will man nicht, wes­halb es nur Tro­cken­he­fe gibt, die im Tüt­chen zu je 7 Gramm einen hal­ben Wür­fen erset­zen und die ihren Job, sich rege zu ver­meh­ren und ordent­lich CO2 zu pup­sen, auch nach län­ge­rer Lage­rung noch sehr anstän­dig erledigen.

Und schluss­end­lich gab es auch kein Mehl Typ 550 mehr, son­dern nur noch extra dunk­les Wei­zen­mehl Typ 1600 *.

Eini­ge Men­gen habe ich ange­passt. Der Rest wur­de exakt nach CAHA­MAs Vor­ga­ben be- und ver­ar­bei­tet. Also ohne die von mir bis­lang so geschätz­ten Farb- und Arom­amal­ze und ohne Brot­back­mit­tel für mehr Volu­men und eine knusp­ri­ge Krus­te. War alles nicht nötig, wie im State­ment der lie­ben Nach­barn zu lesen ist. 

Klar, hät­te noch etwas mehr auf­ge­hen kön­nen. Nichts­des­to­trotz ist mir mit Caha­mas Hil­fe ein herr­lich aro­ma­ti­sches Brot gelun­gen, mit kra­chen­der Krus­te und fes­ter aber elas­ti­scher Kru­me – und sogar unter Ver­wen­dung mei­nes fie­sen, signal­far­be­nen Gärkorbs.

Gerätschaft:

BILD: Gär­korb­bio­top, natür­li­ches.
Zumin­dest in unse­rer Küche. 
  • Kit­chenA­id o. ä. mit Knet­ha­ken. Das Teil soll­te schon ein wenig Kraft und Aus­dau­er haben, denn der Teig ist mächtig.
  • Löf­fel­waa­ge (kann man auch sonst gut gebrauchen)
  • Gär­korb
    Anmer­kung 1: Gibt es auch in hübsch.
    Anmer­kung 2: Alter­na­tiv geht auch ‚ne ordi­nä­re Schüs­sel, wie man am „Aus­ru­fe­zei­chen-Bild“ sehen kann. Der „Punkt” ist die Men­ge Teig, die für mei­nen Gär­korb zu viel war und die ich ein­fach in einer mit Back­trenn­spray ein­ge­sprüh­te klei­ne Schüs­sel gege­ben habe.)
Oben Gär­korb, unten Schüssel.

Wie gesagt: Das Rezept ist nahe­zu 1:1 abge­kup­fert. Bei Men­gen­än­de­run­gen ste­hen die Ori­gi­nal­wer­te in Klammern.

Freitag Abend: Sauerteig-Vorteig


  • 280 g Rog­gen­mehl, Typ 1150
  • 300 g [280 g] Was­ser, handwarm 
  • 28 g getrock­ne­ter Rog­gen­sauer stark, man­gels fri­schem Rog­gen­sauer­teig – des­halb auch mehr Was­ser. [Caha­ma: 28 g fri­scher, regel­mä­ßig geheg­ter und gepfleg­ter Rog­gen­sauer­teig aus eige­ner Fabri­ka­ti­on – Neid, seufz!]

Samstag 11:00 Uhr: Altbrot-Brühstück

(1 Stun­de vor dem Kne­ten ansetzen)

  • 32 g altes, tro­cke­nes Brot pul­ver­fein gemahlen
  • 18 g Salz
  • 100 g kochend hei­ßes Wasser



Samstag 11:30 Uhr: Autolyse-Teig

(½ Stun­de vor dem Kne­ten ansetzen)

Caha­mas Arbeits­an­wei­sung lau­te­te: Wei­zen­mehl mit dem Was­ser grob ver­rüh­ren und 30 Minu­ten quel­len las­sen. „Grob ver­rüh­ren” heisst laut Back­pabst Geiß­ler, dass das schon ein glat­ter Teig sein muss – ohne Klümpchen! 


Und dann kommt die Auto­ly­se! 
Bei Bäcker­la­tein, eben­falls von Lutz Geiß­ler, steht dazu: „Metho­de zur Ver­bes­se­rung der Ver­ar­bei­tungs- und Qua­li­täts­ei­gen­schaf­ten von Back­wa­ren. … Die Auto­ly­se dient zur Geschmacks­ver­bes­se­rung bei direkt geführ­ten Tei­gen. Sie soll außer­dem das Gebäck­vo­lu­men und die Krus­te verbessern. …” 

Mein grandioses Aha-Elebnis: 

  • Jau, funk­tio­niert! 
  • Tadel­los! 
  • Ohne wenn und aber! 
  • Die Krus­te kracht!
  • Der Geschmack war ohne jede Zuga­be von Aro­ma-Malz und sons­ti­gen Gedöns eine abso­lu­te Punkt­lan­dung und der Teig löst sich nach 8 – 10 Minu­ten Kne­ten (Kit­chenA­id) fast vom Schüs­sel­rand, was mir bei so wenig Wei­zen­mehl (bloß 30% der gesam­ten Mehl­men­ge) bis­lang nie gelun­gen ist.

Samstag 12:00 Uhr: Hauptteig

Sau­er­teig + Alt­brot-Brüh­stück + Autolyse-Teig + …

  • 252 g [280 g] Rog­gen­mehl (Typ 1150) + 28 g Rog­gen­sauer [Bei Caha­ma nur Roggenmehl]
  • 20 ml Sesam­öl, gerös­tet [10 g Sonnenblumenöl]
  • 10 g Rüben­kraut [Honig]
  • 1,5 g Tro­cken­he­fe [4 g Frischhefe]
  • 5 g Brot­ge­würz, baye­ri­sche Art 

Die Verarbeitung (mit Fake-Mehl)

lest ihr am bes­ten im Ori­gi­nal­bei­trag. Kurz gesagt funktioniert’s aber wie folgt: 

  • Haupt­teig, also alles zusam­men, lang­sam ankne­ten und spä­ter etwas auf­dre­hen. Nach nur 10 Minu­ten den beein­dru­ckend schwe­ren Teig­bat­zen aus der Rühr­schüs­sel wuch­ten und für ein Stünd­chen Sies­ta in einer ein­ge­fet­te­ten Schüs­sel bei­sei­te stellen. 
  • Danach zu einem Teig-Laib rund­wir­ken (for­men) und in den mit Back­trenn­spray ein­ge­sprüh­ten Gär­korb legen. Back­trenn­spray, weil mein dre*ksverd* Saus*ck von Gär­korb trotz gründ­lichs­ten Ein­meh­lens nichts wie­der her­gibt, was ihm ein­mal anver­traut wurde.
  • 2 Stun­den bei 30 °C gehen las­sen.
  • 30 °C krie­ge ich in mei­nem Back­ofen hin, indem ich ein­fach nur das Halo­gen­licht anschal­te, ohne zu hei­zen. Wer einen moder­nen Back­ofen mit LED-Beleuch­tung sein eigen nennt könn­te auch die Auf­tau-Funk­ti­on nehmen.
  • Back­ofen auf 250 °C auf­hei­zen.
  • Gär­korb auf ein lan­ges (!) Hand­tuch stel­len, ein Back­blech-brei­tes Blatt Back­pa­pier auf­le­gen und den umge­dreh­ten Back­rost vor­sich­tig und mit­tig oben dar­auf packen. Die zwei Enden vom Küchen­hand­tuch über dem Git­ter fest zusam­men hal­ten, so dass man das dif­fi­zi­le Arran­ge­ment umdre­hen kann, ohne dass die gan­ze Cho­se je nach Schwung­mo­ment wahl­wei­se an Küchen­de­cke oder ‑boden lan­det. Ein wenig Fake-Mehl auf die Back­trenn­spray-geöl­te Ober­sei­te streu­en, über­schüs­si­ges Mehl weg pin­seln und ein paar Minu­ten (bei mir min­des­tens 10) abwar­ten, bis sich Ris­se im Teig bil­den, weil das hin­ter­her so hübsch rus­ti­kal ausschaut. 
  • 3 Minu­ten bei 250 °C in den Ofen.
  • Dann beherzt eine hal­be Tas­se Was­ser (90 g) auf das unte­re Back­blech kip­pen und die Tür sofort wie­der schlie­ßen, sonst funk­tio­niert das mit dem „schwa­den” nicht, was blöd wäre, weil das maß­geb­lich für die tol­le Krus­te ver­ant­wort­lich ist.
  • 20 Min. backen bis das Brot hübsch braun ist.
  • Ofen auf 190 °C her­un­ter dre­hen und für wei­te­re 25 Minu­ten backen.
  • Back­ofen­klap­pe einen Spalt öff­nen (Löf­fel­stiel) und dem Brot wei­te­re 3 – 5 Minu­ten Zeit geben.
  • Her­aus­neh­men und … Ruhe bewah­ren! Man will sich ja nicht die Schnau­ze verbrennen.

Fazit 

  • Auto­ly­se ist geil, weil lecker und knusprig!
  • Schwa­den ist auch klas­se, weil das final für die phä­no­me­na­le Krus­te sorgt.
  • Klingt kom­pli­zier­ter als es ist. Aber wenn man am Frei­tag Abend sowie­so schon dabei ist, den Sau­er­teig-Vor­teig anzu­set­zen, dann kann man ja auch schon mal alles ande­re abwie­gen und für den nächs­ten Tag parat stellen.

Ich habe Fragen. 

  1. Im zwei­ten Ver­such gab es kein Alt­brot mehr. Statt­des­sen habe ich 100 g Qui­noa-Saat plus 18 g Salz mit 100 g kochend hei­ßem Was­ser über­gos­sen und über Nacht quel­len las­sen. Das Weg­las­sen des Alt­brot-Brüh­stücks hat­te kei­ner­lei Aus­wir­kung auf Geschmack, Kon­sis­tenz und Ver­ar­bei­tung. Das spricht nicht unbe­dingt für die kuli­na­ri­sche Qua­li­tät von Qui­noa als Brot­zu­satz und wirft zudem die Fra­ge auf, wozu das Alt­brot-Brüh­stück eigent­lich gut ist?
  2. Das „fast” im Titel bezieht sich ja auf mei­nen Unwil­len, selbst Sau­er­teig zu fabri­zie­ren bzw. sel­bi­gen mit der nöti­gen Beharr­lich­keit bis zum nächs­ten Spon­tan-Backen am Leben zu erhal­ten. Des­halb gab’s halt nur Tro­cken-Sau­er­teig, wie oben gezeigt. Der dar­aus mit dem Rog­gen­mehl erstell­te Vor­teig roch am nächs­ten Tag kaum säu­er­lich, eigent­lich nach gar nichts. Im Ver­gleich dazu hat­te der Vor­teig für Wer­ners groß­ar­ti­ges „Foc­ac­cia a la Alber­to” (100g Wei­zen­mehl 550, 60g Was­ser, 5g Hefe) nach 12 Stun­den Zim­mer­tem­pe­ra­tur ein sehr wür­zi­ges, ange­neh­mes, deut­lich säu­er­li­ches Aro­ma. Wie­so duf­tet Rog­gen­mehl + Rog­gen­sauer nicht (jeden­falls bei mir), obwohl das fer­ti­ge Brot genau so schmeckt, wie ein def­ti­ges Sau­er­teig­brot zu schme­cken hat?
    Hät­te ich viel­leicht schon die Hälf­te der 1,5 g Hefe dazu geben müssen?
  3. Dunk­les Wei­zen­mehl Typ 1600 statt nor­ma­lem 550: Wäre das Brot bei Typ 550 mehr auf­ge­gan­gen, ein klei­nes biss­chen fluf­fi­ger geworden? 
  4. Wie sind eure Erfah­run­gen bei GEKAUF­TEM Sau­er­teig: Nass ver­sus trocken? 
  5. An wel­chen Schrau­ben kann/​soll ich noch dre­hen?
    (Außer den Sau­er­teig selbst zu machen!)

Helft mir auf die Sprün­ge. Bin gera­de recht motiviert ;-)


PS: Wer noch mehr über des Koch­zi­vi­lis­ten Back-Eska­pa­den lesen möch­te erfährt hier, wie es zu Lud­wig, dem lis­ti­gen Lurch kam.