Darf man sich als seriö­ser, ernst­haf­ter, intro­ver­tier­ter – nee Quatsch – also in die­sem Jahr als eher dau­er-pro­kras­ti­nie­ren­der Gele­gen­heits-Blog­ger allen Erns­tes erlau­ben, mit Königs­ber­ger Klop­sen gegen erle­se­ne Weih­nachts-Menüs anstin­ken zu wol­len? Mit einem Gericht, das von Gene­ra­ti­on zu Gene­ra­ti­on an die/​den Erstgeborene/​n wei­ter­ge­ge­ben wird, schon zig­fach gepos­tet wur­de und ob der Zutat „Sar­del­len” in aller Regel bis auf’s Mes­ser dis­ku­tiert wird? 

Man darf nicht nur, man muss sogar. Ers­tens, weil Koch­zi­vi­lis­ten. Zwei­tens, weil es eines der ers­ten Rezep­te war, an dem ich schon Jah­re vor die­sem Blog ordent­lich gefeilt habe, um es geling­si­cher und saul­ecker zu machen, wes­halb es end­lich hier rein gehört. Und drit­tens, weil Königs­ber­ger Klop­se immer gute Erin­ne­run­gen wecken – sogar bei Sar­del­len-Pho­bi­kern. Und schö­ne Erin­ne­run­gen pas­sen doch treff­lich zum Fest.

Ach ja, und natür­lich des­halb, weil die­ser Weih­nachts­bei­trag ganz ohne Luther-Zitat aus­kommt (sie­he Bei­trag „Aus einem ver­zag­ten Arsch kommt kein fröh­li­cher Furz.”), ich also mit der dies­jäh­ri­gen Head­line nicht erneut von Face­book abge­mahnt wer­de. (Rechts in die­sem Bei­trag fin­det man auch ein Rezept­chen für rote Bee­te, sous-vide gegart.)

Gerätschaft:

  • Kit­chenA­id o. ä. mit Fleisch­wolf + fei­ner Scheibe
  • Alter­na­tiv: Ein Metz­ger, der Kalb­fleisch 2 x durch die fei­ne Schei­be dreht.
  • Löf­fel­waa­ge (kann man auch sonst gut gebrauchen)

Für die Fleischklößchen-Farce (passt für 3 bis 4 Personen)

  • 600 g Kalbsfleisch 
  • 60 g Toast­brot ohne Rinde 
  • 60 g geräu­cher­ter Speck
  • 2 Stk. Schalotten
  • 6 Stk. Sar­del­len­fi­lets (nehmt ruhig große)
  • 45 g Dijon­senf (1 ½ El.) 
  • 2,5 g Zitro­nen­myr­te (1 Tl.)
    Ach­tung: Nicht ori­gi­nal aber gut!
  • 4,4 g Salz (1 ½ Tl.)
  • 3 g Melan­ge Blanc (1 Tl.) von Ingo Holland
  • 1 Prs. Nel­ke + 1 Pri­se Zucker

Erst nach dem Durchdrehen:

  • 10 g sehr fein gehack­te Peter­si­lie: davon 7 g fürs Brät und 3 g für die Salzkartoffeln 
  • 1 Ei 

Für den Sud:

  • 3 Stk. Gemü­se­fond (Glas á 400 ml) 
  • 6 Stk. Lorbeerblatt
  • 8 Stk. Pimentkörner
  • 12 Stk. Pfef­fer­kör­ner, schwarz

Für Mehlschwitze und Sauce:

  • 90 g Mehl + 90 g Butter
  • 80 g Kapern (am bes­ten die hübsch kleinen) 
  • 170 ml Sahne 
  • 1 Tl. Dijon-Senf 
  • ¾  Saft einer gro­ßen Zitro­ne (Saft einer gan­zen, wenn es eine die­ser mick­ri­gen Bio-Zitro­nen ist)
  • 1,5 g Melan­ge Blanc (½ Teelöffel) 

Zubereitung:

1. Sud: 3 Gläs­chen Gemü­se­fond mit 6 Lor­beer­blät­tern, 8 Piment- und 12 Pfef­fer­kör­nern zum Sim­mern brin­gen (sim­mern = knapp unter dem Siedepunkt). 

2. Kalbs­brät: Speck, Scha­lot­ten und Sar­del­len­files klit­ze­klein hacken oder zusam­men mit einem Teil der Toast­brot­wür­fel in einem leis­tungs­fä­hi­gen Mixer zu einer dicken Pas­te pürie­ren. Nur durch den Fleisch­wolf dre­hen reicht nicht. Mit 600 g Kalb­fleisch, den rest­li­chen Toast­wür­feln, 60 g geräu­cher­tem Speck, 45 g Dijon­senf, 2,5 g Zitro­nen­myr­te (klas­se Zeug, weil inten­si­ver und koch­be­stän­di­ger als Zitro­nen­scha­le), 4,4 g Salz, 3 g von Ingo Hol­lands famo­ser Melan­ge Blanc sowie 1 Prs. Nel­ke + 1 Pri­se Zucker mischen und zwei­mal durch die klei­ne Fleisch­wolf­schei­be dre­hen. (Ja, direkt zusam­men mit dem Gewürzgedöns.) 


Das Brät mit einem Ei und 7 g Peter­si­lie aus­gie­big durch­kne­ten. Erst so ent­steht die rich­ti­ge Bin­dung, damit die Klöß­chen schön fest werden. 


3. Klöß­chen for­men: Ø 4,5 cm, was in etwa so dick ist wie eine klei­ne Man­da­ri­ne und sanft in den Sud legen. Sud mit den Klöß­chen kurz auf­ko­chen las­sen und danach auf nied­ri­ger Stu­fe (E‑Herd 3) 20 Minu­ten zie­hen lassen. 

Klop­se her­aus­neh­men und abge­deckt bei­sei­te stel­len. Sud durch ein fei­nes Sieb zurück in den Topf gie­ßen und zum Kochen bringen. 

4. Mehl­schwit­ze: Der­weil sich die Klop­se im Sud suh­len 90 g But­ter plus 90 g Mehl zum schwit­zen brin­gen (Mehl­schwit­ze = Ein­bren­ne oder fran­zö­sisch „Roux“). Erst die But­ter und dann das Mehl bei E‑Herd-Stu­fe 7 in einen klei­nen Topf geben und die dabei ent­ste­hen­de Pam­pe unter regel­mä­ßi­gem Rüh­ren einen Hauch Far­be anneh­men las­sen. Vom Herd neh­men und noch etwas wei­ter rüh­ren, damit aus blond nicht brü­nett wird.


5. Sau­ce: Den Sud + 170 ml. Sah­ne mit einem Tee­löf­fel Dijon­senf, ½ TL. Melan­ge Blanc, etwas Zitro­nen­saft und einer Pri­se Zucker abschmecken. 

Zum Bin­den der Sau­ce jetzt die Mehl­schwit­ze löf­fel­wei­se in den Sud geben und mit dem Schnee­be­sen ver­rüh­ren. WICH­TIG: Vor jedem wei­te­ren Löf­fel Mehl­schwit­ze erst einen Moment auf­ko­chen las­sen. Sonst besteht die Gefahr, dass man schlag­ar­tig unge­nieß­ba­ren Kleis­ter fabriziert. 

80 g Kapern abgie­ßen und in die Sau­ce geben. Nach Gus­to noch mit einem Sprit­zer Zitro­nen­saft und einer Pri­se Zitro­nen­myr­te ver­fei­nern. Alter­na­tiv geht natür­lich auch der Abrieb einer die­ser mick­ri­gen Bio-Zitro­nen – mög­lichst bevor die pel­zig wer­den, was in mei­ner luf­ti­gen Gemü­se­scha­le regel­mä­ßig nach weni­gen Tagen der Fall ist.

Dazu: Peter­si­li­en­kar­tof­feln, rote oder bun­te Bee­te und einen tro­cke­nen Gewürz­tra­mi­ner (ja, gibt es. Mir ist nur gera­de ent­fal­len, wie der heißt).

Dat schwat­te aufe Klop­se is Koch­zi­vi­lis­ten­pfef­fer.
 

Sardellen und Fischsauce geben großartige Würze!

Trotz der Sar­del­len­fi­lets schme­cken Königs­ber­ger Klop­se nicht nach Fisch. Viel­mehr sor­gen die Sar­del­len für eine wun­der­bar run­de Wür­ze und für den typi­schen Geschmack – im Unter­schied zu gewöhn­li­chen Fleischbällchen.

Wer sich mal getraut hat, Toma­ten­su­go auch mit hel­ler Fisch­sauce statt nur mit Salz zu wür­zen, wird mir Recht geben. Und obwohl pure Fisch­sauce zunächst recht fischig riecht, sorgt sie für ein fei­nes, har­mo­ni­sches Aro­ma, das eine Toma­ten­so­ße per­fekt macht. Übri­gens am liebs­ten mit San-Mar­za­no Dosen-Toma­ten der Mar­ke „Mut­ti”, was jetzt nichts mit Ange­la Mer­kel zu tun hat. Die teu­ers­ten, die bes­ten und – war­um auch immer – aro­ma­ti­scher als fri­sche, wie The­Mas­ked­Chef schon bei sei­nem ulti­ma­ti­ven Ragù alla Bolo­gne­se-Rezept schreibt.

Der Stern ver­fass­te übri­gens schon anno 2002 ein tol­les Plä­do­yer pro Sar­del­le mit sehr, sehr net­ten Rezepten.

Und wo bleibt jetzt das Weihnachtsfeeling?

Gute Fra­ge. Aber guckt doch mal hier…

In die­sem Sin­ne ein genuss­rei­ches, besinn­li­ches und fried­li­ches Fest. Is nicht über­all so.