
Butterfly-Lämmchen mit Xawaash: eine Ode an die Kümmelspalterei.
Andreas Frank
Veröffentlicht in 18. August 2016
Da soll noch mal einer sagen, dass zielloses Surfen bloße Prokrastination und ergo zu nichts nutze sei. Ohne das gekonnte „Aufschieben von anstehenden Aufgaben” (Duden) hätte ich doch im Lebtag keine Zeit gehabt, über Leilas & Abdullahis Somali Food Blog Xawaash zu stolpern. Ich wüsste bis heute nicht, dass Xawaash (das X spricht sich wohl wie ein heiseres ch) nicht nur der Blogname ist, sondern auch noch eine somalische Gewürzmischung bezeichnet, die Gemüse, Fleisch und Geflügel eine dezente, warm-würzige Grundnote verpasst. Und ich wäre bar jeder Ahnung, wie man das Zeugs macht, was mir natürlich keine Ruhe gelassen hätte.
Ich würde schlecht schlafen, wäre zunehmend übellaunig und unkonzentriert, würde Suppen versalzen und Steaks well done servieren, alle Freunde verlieren und mich schlussendlich vor lauter Frust durch die Nominierungen des Foodwatch-Awards zum goldenen Windbeutel fressen – ausnahmslos.
Gruselig, oder? Aber gewiss ein lehrreiches Beispiel dafür, dass es einen ohne regelmäßig vorbeugende Prokrastination verdammt leicht erwischen kann.
Verdammt leicht ist übrigens auch (was für eine elaborierte Überleitung) die Herstellung der Xawaash-Gewürzmischung, die nur aus sieben simplen Zutaten besteht: Cumin-Saat (Kreuzkümmel), Koriander-Saat, schwarzer Pfeffer, Zimtrinde, Kardamom-Kapseln, Nelke (ganz) und Kurkuma.

Bis aufs Kurkuma-Pulver alles ohne Öl in einer trockenen Pfanne anrösten bis es zu duften anfängt, nach dem Abkühlen so fein wie möglich mahlen beziehungsweise je nach Konstitution von Ober- und Unterarm mörsern und mit dem Kurkuma-Pulver vermischen. Wie gesagt sehr einfach, so man die Umrechnung von Volumen in Gramm hinbekommt.
Im ersten Schritt kein ernsthaftes Problem. Schließlich sind beide Blogger bestens in Kanada integriert und benutzen demzufolge US-Cups, Table- und Teaspoons als Maßeinheit ihrer Rezepte. Deren Inhalte kann man völlig problemlos in europäische Volumina, wie etwa Hecto- oder Milliliter umrechnen (US-Cups = 237 Milliliter, Tablespoon = 15 ml, Teaspoon = 0.00005 Hektoliter). Und solange alle nur mit Wasser kochen ist auch alles im Lack, denn dann sind 237 ml ja praktischerweise auch ziemlich genau 237 Gramm und somit auf jeder haushaltsüblichen Waage messbar.

Jetzt hat sich beim Kochen und Backen aber blöderweise das Hinzufügen weiterer Zutaten als geschmacklich von Vorteil erwiesen, womit wir beim eigentlichen Knackpunkt sind: Der unterschiedlichen Dichte von Zutaten, also dem Gewicht in g/cm³ oder auch in Gramm pro Cup, Tea- oder Tablespoon.
Zum Beispiel beim Mehl (Typ 405 / Tipo 00), das bei gleichem Platzbedarf viel leichter als Wasser ist. Da gehen dann nur 127 statt 237 g in die Tasse (und quetschen sorgt lediglich für viel Sauerei in der Küche). Tafelsalz hingegen ist deutlich kompakter, so dass die gleiche Tassenfüllung opulente 292 g auf die Waage bringt. (Salz ist also so gesehen das Pendant zu den Mitmenschen mit schweren Knochen.) Und ganz besonders breit machen sich fluffig-leichte Mini-Marshmallows, weswegen auch nur 50 g ins US-Cup passen.
Wieviel Hirn sich in der hohlen US-Tasse befindet, die im aktuellen Wahlkampf vorgibt, Amerika wieder groß machen zu wollen, ist leider nicht bekannt.
Aber Marshmallows hin oder her: Hohlmaße mögen Vorteile haben, sind aber im Gegensatz zum Wiegen eher ungenau und nur sehr schwer skalierbar, also auf andere Mengen hoch oder runter zurechnen. Und bei komplexen Gewürzen aus vielen verschiedenen Zutaten oder bei frischen Kleinmengen für die eher kochzivile Küche ist tatsächlich auch die Stelle hinter dem Komma noch geschmacksrelevant.
Klingt kompliziert?
Mitnichten, denn im App-Zeitalter muss man das ganze Volumen-Gewicht-Gedöns ja nicht mehr nachschlagen. Man braucht lediglich ne App, konkret den BakeConverter. Der nutzt schlauerweise die Daten des amerikanischen Landwirtschaftsministeriums, das tatsächlich ermittelt, wie viel Gramm von was in eine Tasse passt. (Wenn der Herr Trump da mal vorbei schauen würde, wüssten man mehr.)

Der BakeConverter kann´s bislang am besten. Wer Ähnliches von der Chef’s‑Converter-Pro App, Wolfram Culinary Mathematics Reference App, Metire – Umrechnung Küchen-Maße oder der Kitchen-Calculator-PRO-App erwartet: Ich habe alle stante pede wieder umgetauscht.
Und da die App hübsch schnörkellos ist und sich ganz intuitiv bedienen lässt, eine klare Empfehlung für iPhone und Küche.
Xawaash-Zutaten

Für eine haushaltsübliche Menge von 70 g. Die Original-Mengen stehen in Klammern.
- 25,6 g Kreuzkümmel-Saat (½ cup cumin seeds = 50,53 g)
- 21,9 g Koriander-Saat (½ cup coriander seeds = 43,31 g )
- 8,8 g Tellicherry-Pfeffer (2 tbsp. black peppercorns = 17,45 g)
- 2,9 g* Zimtstange (1 tbsp. cinnamon bark ≈ 5,7g)
- 3,0 g* Kardamom-Kapseln (1 tbsp. cardamom pods ≈ 6 g)
- 1,0 g* Nelke (1 tsp. cloves, whole ≈ 2 g)
- 6,7 g Kurkuma-Pulver (2 tbsp. turmeric powder = 13,23 g)
* Circa (≈), weil die App hier nur die gemahlenen Zutaten hinterlegt hat.
Zehntelgramm-genaue Löffelwaagen gibts für wenig Geld hier ;-)
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Butterfly-Lamm: Vorbereitung
Um Missverständnissen vorzubeugen: Nicht Fly ’n’ Mäh analog zum Surf ’n’ Turf ist hier mit Butterfly Lämmchen gemeint. Vielmehr geht es um den gleichnamigen Cut, der dafür sorgt, dass aus einer knubbelig runde Lammkeule mit Knochen ein gleichmäßig flaches und somit gleichmäßig gares Stück Schaf ohne Knochen wird, dass in dieser Form sogar Grill-tauglich wäre.
Blöd nur, dass die liebe Prokrastination gerade dann irgendwo anders abhängt, wenn man sie gut hätte brauchen können. Statt nämlich munter drauf los zu schnippeln und gleich zwei Teilen übrig zu behalten, hätte ich mir das feine Video von Scott Rea auch mal anschauen sollen. (Merke: Sie bloß zu abonnieren, reicht bei Videos nicht.)
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Nichtsdestotrotz ist mir der Übergang vom Runden zum Flachen für den ersten Versuch ganz prima gelungen. Zwei Teile passten sowieso viel besser in den Bräter.
Zubereitung

In erster Linie wollte ich wissen, wie sich die neue Gewürzmischung so macht. Deshalb gab es die planierte Keule quasi pur: Also nur mit Salz, guten 30 g von der somalischen Gewürzmischung, ein wenig Öl und dem Saft einer halben Limette für knappe 4 Stunden mariniert (über Nacht wäre nicht falsch gewesen).
Das Ergebnis war nach scharfem Anbraten sowie 1,5 Stündchen sanftem Schmurgeln bei 150 °C in Bräter und Backofen butterzart. Das Röstkartoffel-Bett mit Gartenkräutern sowie ein paar getrockneten und ein paar frischen Tomaten war zurückhaltend genug, um Lamm mit Xawaash-Aroma optimal (dezent aber eigenständig) zur Geltung zu bringen. Kurzum: Test gelungen. Beim nächsten Mal wird aber über Nacht mariniert und dann in einem Stück auf dem Grill gegart.
Welche Gewürzmischungen nutzt ihr?
Was sollte man unbedingt mal probieren?
Und habt ihr eigene Mixturen, deren Rezepte ihr teilt?
Links bitte unten in die Kommentare setzen.
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Großartig! Alles. Diese App kommt genau richtig.
Und Gewürzmischungen benutze ich, je länger ich koche immer weniger. Ein gutes Currypulver ist eigentlich das einzige. Falls für ein Rezept etwas anderes benötig wird, habe ich in der Regel alles an getrockneten unzerkleinerten Zutaten dafür da und bereite es frisch zu.
Hallo Eva,
neben deiner feinen Schreibe freue ich mich jedesmal wieder über die Präzision deiner Rezepte. Und ich frage mich, warum sich viele Zeitgenossen mit exakten Angaben zu Mengen oder Garzeiten so schwer tun.
Misstrauen, weil man mit zum Teil grottenschlecht recherchierten Rezepten in Kochbüchern auf die Nase gefallen ist? Fühlt man sich kreativ eingeengt? Ist drei mal nachzuwürzen tatsächlich einfacher als einmal richtig zu wiegen? Mhm …
Und was nun fertige Gewürzmischungen angeht: Geht doch nix über den Duft von frisch geröstetem Kreuzkümmel, Koriander, Kardamom etc. ;-)
Ich würde einfach alle Gewürzzutaten gegen Kreuzkümmel austauschen und hätte damit eine einfache Kreuzkümmelgewürzmischung aus Kreuzkümmel. Ich liebe Kreuzkümmel :-)
Okay. Das war jetzt etwas unqualifiziert. Die Mischung hört sich für mich ausgesprochen apetitanregend an. Aber ohne das Lamm wäre sie auch nichts wert ;-)
Coole Marketingidee: Sortenreine Monogewürz-Mischungen aus 100% Dasselbe 😎
Wie immer sehr erfreulich zu lesen, lieber Andreas! Meine Gewürzmischungen produziere ich überwiegend selber, (sofern ich sie nicht gewinne) , eine davon hab ich auch schon verraten- Quatre-Épices gibt es bei mir im blog nachzulesen. Und auch Granatapfelsirup, der durchaus eine würzende Zutat ist. Weitere werden folgen, demnächst mein Ras-el-Hanout. Sizilianisches Gewürzsalz, das hab ich auch schon mal produziert, super auf Tomatensalat.
Und dein Lamm hat bestimmer hervorragend geschmeckt- auch wenn ich manche Gewürze lieber mag als ausgerechnet Cumin und Koriander.
Cumin wird durchs Rösten deutlich gefälliger. Ist insgesamt eine sehr runde, unaufdringliche Mischung.
Wie geht denn dein sizilianisches Gewürzsalz?
habs nicht im Kopf, das stammt aus dem Buch Citrus- ich werds demnächst mal schreiben. Wenn ich dazu komme!
Und Cumin, klar.. ich tus ja auch in das Garam Masala rein- aber viel weniger als in der Vorschrift angegeben, sonst schmeckt mir das nicht. Lieber ersetze ich die Hälfte durch normalen Kümmel.
Ein toller Beitrag über eine – woow- .…sicherlich ziemlich exotische Gewürzmischung! Ich muss gestehen, dass ich noch niemals somalisch gegessen habe und auch nicht wüsste wo ausser in Somalia ;-) Und die supernützliche Umrechnung App empfehlung habe ich mir schonmal abgespeichert …
Nö, so exotisch ist die gar nicht. Wie gesagt eine sehr dezente, warme Grundnote. Die meisten Currymischungen sind extravaganter.