Obacht: Der fol­gen­de, post­weih­nacht­li­che Arti­kel ist par­ti­ell poli­tisch unkor­rekt. Han­delt er doch weder von Tier­tei­len, die zum aktu­el­len Nose-To-Tail-Trend pas­sen, noch geht es um fair­ge­tra­de­ge­selbst­ge­sam­mel­te Kräu­ter (obwohl ich spä­ter ja viel­leicht noch die Lamm­klö­ten-Sto­ry erzäh­len könn­te). Viel­mehr ver­bie­ge ich im Fol­gen­den feins­tes Hirsch­kar­ree zu Sau­er­bra­ten – pas­send zu Tinas und Zoras Blog-Event Zimt, Kar­da­mom und Nel­ke. Und bei der Inter­pre­ta­ti­on des rhei­ni­schen Knei­pen­klas­si­kers Him­mel un Äd wird Blut­wurst in eine Ravio­li gezwun­gen (und dann auch noch mit Safran gepimpt). 

Der Man­gel an Tel­ler-Bil­dern in die­sem Bei­trag ist übri­gens kein ver­kapp­tes State­ment gegen Food Porn. Ich habe ledig­lich ver­pennt, das Ei-Pfoon über die fer­ti­gen Tel­ler zu hal­ten. Aber, ach, ist das geschrie­be­ne Wort nicht immer auch ein Stück­chen Phan­ta­sie und Kopf­ki­no und hät­ten die geschätz­ten Mit­es­ser am Tisch nicht EIN­FACH AUCH MAL KNIP­SEN KÖN­NEN!? Jetzt aber in medi­as res:

_
Sous-vide-Sauerbraten vom Hirschkarree

35Min_bei_57°C+3x3_Minuten_Stufe_6von9

Hirsch­kar­ree bzw. ‑rücken ist per se zart und braucht so gese­hen natür­lich kei­nen Sau­er­bra­ten-Sud, um genieß­bar zu wer­den. Wes­we­gen so ein Hirsch im Gegen­satz zum klas­si­schen Sau­er­bra­ten aus Rind oder Pferd auch nur 24 bis 28 Stun­den statt 5 bis 7++ Tagen im Rot­wein-Essig-Mix rum­lüm­melt. Nach_24h_roh_im_AnschnittDamit dringt die wür­zig-sau­re Mari­na­de nur 5 bis 8 Mil­li­me­ter tief ein und der Rest behält sein unver­fälsch­tes Hirscharoma.

Neben die­ser Kurz­zeit-Ein­la­ge ist bei Hirsch­kar­ree bzw. ‑rücken noch eines ent­schei­dend: Sanf­tes Garen bei Nie­der­tem­pe­ra­tur, sonst liegt Wild ganz schnell staub­tro­cken und meh­lig auf der Zun­ge, was selbst bei rela­tiv preis­wer­ten neu­see­län­di­schen Zucht­hir­schen eine Schan­de wäre. Inso­fern emp­fiehlt sich unbedingt …

35 Minuten vorgaren in der Sous-vide-Tüte 

Hirsch_gebeizt_B_(24h)

Dazu den 24 Stun­den bei Zim­mer­tem­pe­ra­tur im Sau­er­bra­ten-Sud ein­ge­leg­ten Hirsch ein Stünd­chen bevor geges­sen wird aus der Mari­na­de fischen, tro­cken tup­fen und in die Vaku­um­tü­te schub­sen. Sud durch ein fei­nes Sieb auf­fan­gen, denn ohne den kei­ne Sau­ce und ohne Sau­ce kein Sauerbraten!

TütenhirschDer sonst beim Mari­nie­ren oder beim kur­zen Sous-vide-Garen durch­aus pro­ba­te Gefrier­beu­tel reicht beim Kar­ree wegen der scharf­kan­ti­gen Ripp­chen nicht aus (Rücken ohne Kno­chen funk­tio­niert natür­lich). Dafür kann man mit etwas Pus­te bezie­hungs­wei­se Sau­ge durch­aus auf den Vaku­um­ie­rer ver­zich­ten. Wich­tig ist schließ­lich nur, dass Gar­gut und Was­ser­bad mit so wenig wie mög­lich iso­lie­ren­der Luft dazwi­schen in Kon­takt kom­men, weil Luft eben ein ganz mise­ra­bler Wär­me­lei­ter ist. Und auch wenn beim Sous-vide-Garen immer wie­der der Begriff Vaku­um auf­taucht: In einer fle­xi­blen Plas­tik­tü­te ent­steht kein Vaku­um, son­dern maxi­mal Luft­lee­re. Für ech­ten Unter­druck braucht´s ne Dose, was aber nix mit Sous-vide zu tun hat (dafür aber wohl das Mari­nie­ren von Grill­fleisch beschleu­nigt, hab ich mal gehört).

Von_62_auf_57Grad

35 Minu­ten von 62° auf 57° C abfallend.

Back­ofen auf 60 °C brin­gen (ggf. mit Back­ofen-Ther­mo­me­ter kon­trol­lie­ren), Was­ser im Topf auf 62 °C auf­hei­zen (ein digi­ta­les Fleisch­ther­mo­me­ter zur Kon­trol­le hilft hier unge­mein). Den luft­leer gesaug­ten Fleisch­beu­tel ins Was­ser legen und Topf mit Deckel in den war­men Back­ofen ver­frach­ten. Nach 35 Minu­ten ist die Was­ser­tem­pe­ra­tur wegen des anfäng­lich ja nur zim­mer­war­men Hirsch­kar­rees auf 57 °C und damit auf die opti­ma­le Kern­tem­pe­ra­tur für Wild­rü­cken oder Kar­ree gefal­len. Und nein: Dafür braucht man echt kein teu­res Sous-vide-Gerät – versprochen!

Vor­teil die­ses Pro­ze­de­res: Hei­ßer und damit garer wird´s nicht. Ver­zö­ge­run­gen im Küchen-Timing machen also wenig bis gar nichts. Nicht zuletzt, weil die so vor­ge­gar­ten Kar­ree-Stü­cke vor dem Ser­vie­ren noch ein­mal auf allen Sei­ten für 2 – 3 Minu­ten bei E‑Herd-Stu­fe 6 von 9 ange­bra­ten wer­den. Wei­te­re Sous-vide-Klug­schei­ße­rei­en koch­zi­vi­ler Natur gibt´s hier und rich­tig pro­fes­sio­nell hier.

_
Zutaten Sauerbraten-Sud

Die fol­gen­den Men­gen gel­ten für 2,1 bis 2,6 kg Hirsch­kar­ree (7 bis 9 Por­tio­nen jeweils zwei Rip­pen breit) oder eine ver­gleich­ba­re Men­ge Rind oder Pferd. Letz­te­re aber bit­te je nach Durch­mes­ser der Tei­le 6 bis 7 Tage oder län­ger im Sud ver­edeln. (Als Richt­wert gilt nach mei­nen Erfah­run­gen eine Eind­ring-Tie­fe der Mari­na­de von maxi­mal einem Zen­ti­me­ter pro Tag).

Ungeröstete Gewürze

  • 8 Stk. Lor­beer­blät­ter, frisch
  • 1,8 g Wacholderbeeren
  • Gewürzgedöns1 Stk. Ros­ma­rin-Zweig (ca. 15 cm)
  • 7,5Tel­li­cher­ry-Pfef­fer
  • 2 g Ing­wer­pul­ver (hat­te kei­nen fri­schen mehr, könn­te mir aber vor­stel­len, dass man da gute 2 cm braucht)
  • 18 g hol­län­di­scher Bas­terd Sui­ker oder Mus­co­va­do
  • 20 g Salz

Zu röstende Gewürze

  • Blog-Event CXV - Zimt, Kardamom, Nelke (Einsendeschluss 15. Januar 2016)2,1 g Koriandersaat
  • 1,2 g Macis (Mus­kat­blü­te)
  • 0,6Kar­da­mom
  • 0,6Zimt­blü­te (ca. 15 Stk.)
  • 1,2Zimt­rin­de
  • 1 g Piment
  • 2 Stk. Nel­ke
  • 8 g Senf­saat (4 g schwarz bzw. braun + 4 g weiß bz. gelb)
  • 1 g Sternanis

Sud  

  • Hirsch_gebeizt_A_(24h)1,5 Liter Mer­lot (z. B. von Yel­low Tail)
  • 300 ml Him­beer­es­sig (6%)
  • 180Ester­ha­zy (Lauch, Sel­le­rie und Möh­ren fer­tig geschnip­pelt in der Tüte)

_
Zubereitung Sauerbraten-Sud:

Die zu rös­ten­den Gewür­ze in einer tro­cke­nen,  unbe­schich­te­ten Pfan­ne ohne Öl so lan­ge auf der Maxi­mal-Tem­pe­ra­tur anrös­ten, bis das Zeugs ordent­lich zu duf­ten beginnt. Zusam­men mit den nicht zu rös­ten­den Gewür­zen in den Rot­wein-Him­beer­es­sig-Mix kip­pen und kurz auf­wal­len las­sen. Ester­ha­zy rein, auf Zim­mer­tem­pe­ra­tur abküh­len und über´s Fleisch kip­pen. (Wie gesagt: Gefrier­beu­tel ist ob der spit­zen Rip­pen nicht sta­bil genug.) Falls ihr statt Tüte eine Schüs­sel ver­wen­det: Fleisch muss ganz bedeckt sein.

Wei­ter sie­he oben: 35 – 40 Minu­ten „Vor-Garen” in der Vakuumtüte

Zubereitung Sößchen

Blitzblätterteig_für_Sauce

Blitz­blät­ter­teig-Schäl­chen für die Sauerbratensauce

Ich habe vor eini­ge Jah­ren mal einen wun­der­ba­ren  Hirsch­rü­cken mit Kno­chen erstan­den, selbst aus­ge­löst und aus Kno­chen und Abschnit­ten mit viel Zeit und Lie­be einen tol­len Fond gekö­chelt: Bei einem Sau­er­bra­ten-Söß­chen alles Quatsch. Gönnt euch die Con­ve­ni­ence von 400 ml han­dels­üb­li­chem Wild­fond und gut is. Schließ­lich kommt da noch min­des­tens die glei­che Men­ge an Sau­er­bra­ten-Sud hin­zu – plus einer ½ Packung Leb­ku­chen (der ohne Scho­ko­über­zug) und 1 – 2 Tee­löf­feln von Ingo Hol­lands genia­ler Mole. Stab­mi­xer rein­hal­ten und anschlie­ßend lang­sam auf der ursprüng­li­chen Men­ge redu­zie­ren. Dank des Leb­ku­chens soll­te die Sau­ce fein sämig sein. Die letz­ten 2 Minu­ten noch eine Hand voll getrock­ne­ter Cran­ber­rys mit zie­hen las­sen und final mit Salz und Zucker abschme­cken. Fertig.

Hirsch_sous-vide
Rahmwirsing_in_Spe

Rahm­wir­sing in Spe

Zum frisch gebräun­ten Hirsch und als sah­ni­ger Kon­trast zur Sau­er­bra­ten­sauce (im Blitz­blät­ter­teig-Schäl­chen) gab es einen Löf­fel Rahm-Wir­sing. Im Bild sind Kar­tof­feln und Wir­sing noch getrennt. Wie gesagt: Tel­ler-Bil­der habe ich verpennt.

Wer oben ver­ges­sen hat auf „Zimt, Kar­da­mom und Nel­ke”, dem Blog-Event von Tina und Zora zu kli­cken, dem sei das hier noch ein­mal ein­dring­lich emp­foh­len. In den Kom­men­ta­ren wei­ter unten auf der Sei­te fin­det ihr jede Men­ge gran­dio­se Rezep­te zum Thema.

Zum Schluß und nur kurz skiz­ziert eine wirk­lich gelun­ge­ne Neu­in­ter­pre­ta­ti­on des gut­bür­ger­li­chen Küchen­klas­si­kers Him­mel un Äd. Das hat zwar nicht mehr mit dem Blog-Event zu tun, war aber trotz­dem saulecker.

_
Blutwurst-Ravioli in einer leicht scharfen Safran-Kartoffelsuppe mit beschwipsten, karamellisierten Äpfeln und selbst gemachten Röstzwiebeln.

Bos­koop schä­len, ach­teln und min. 8 Stun­den in einer Mischung aus Port, Whis­ky und ein wenig Zitro­nen­saft einlegen.

Nor­ma­le Zwie­beln in Schei­ben schnei­den, mit ein, zwei Ess­löf­feln Mehl in eine Tüte packen, gut schüt­teln und die so mehlier­ten Zwie­bel­rin­ge in But­ter­schmalz oder neu­tra­lem Keim­öl sanft und in klei­nen Por­tio­nen mit viel Platz in der gro­ßen Pfan­ne bräu­nen. Bei 120° C im Back­ofen noch etwas nach­trock­nen, wäh­rend die nächs­te Fuh­re in der Pfan­ne brut­zelt. (Kann man übri­gens pri­ma schon einen Tag zuvor erledige.)

Geräu­cher­te Blut­wurst durch den Fleisch­wolf dre­hen und wie jede Ravio­li-Fül­lung extra pikant abschme­cken: mit Salz, reich­lich Koch­zi­vi­lis­ten­pfef­fer und dem Mark einer hal­ben Vanilleschote.

Nudel­teig aus 500Semo­la di gra­no duro, 20 g Salz, 62 g Oli­ven­öl, 220 g Was­ser und Null Eiern zube­rei­ten. War­um kei­ne Eier steht hier.

Aus meh­lig kochen­den Kar­tof­feln und Kalbs­fond ein Kar­tof­fel­süpp­chen zube­rei­ten. Mit Chi­li-SOUR® und Safran verfeinern.

Wei­ßen Zucker tro­cken in einen Topf geben (Boden soll knapp bedeckt sein) und auf E‑Herd-Stu­fe 8 von 9 schmel­zen bzw. kara­mel­li­sie­ren. Nicht im Topf rüh­ren, son­dern Topf nur schwen­ken. Die abge­tropf­ten, beschwips­ten Apfel­schnit­ze in den flüs­si­gen Kara­mell kip­pen (Ach­tung: kann sprit­zen), Topf vom Herd neh­men und so lan­ge rüh­ren, bis sich der durch den Tem­pe­ra­tur­sturz erhär­te­te Kara­mell (wei­test­ge­hend) gelöst hat bzw. bis die Äpfel von einer Kara­mell­schicht bedeckt sind. In einem sepa­ra­ten Schäl­chen zur Kar­tof­fel­sup­pe mit Blut­wurst-Ravio­li ser­vie­ren. Ach ja: Und die Röst­zwie­beln nicht vergessen.

_
Da das ein ech­tes High­light war, wer­de ich die Tage wohl noch mal ein anstän­di­ges Rezept nach­rei­chen. Viel­leicht mal ganz ohne Gesab­bel drum­rum, dafür aber mit ech­ten Teller-Bildern.