Am Mitt­woch früh ist unse­re lie­be Mut­ter gestor­ben. Eine klei­ne, ganz zier­li­che aber den­noch rie­sen­gro­ße und unbän­dig star­ke Frau, die mir und mei­ner gro­ßen Schwes­ter (die Lüt­te im Bild) jede Men­ge mit­ge­ge­ben hat. Unter ande­rem die Lei­den­schaft für´s Kochen und Genie­ßen. Und das ist an die­ser Stel­le schon ein­mal einen klei­nen Son­der­bei­trag wert, fin­de ich. 

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Lui­se Frank: * 2. April 1927 † 6. März 2013

Im April 1927 in einem Berg­ar­bei­ter-Haus­halt gebo­ren und mit jeder Men­ge Geschwis­tern in Bochum-Dah­l­hau­sen auf­ge­wach­sen, ist Mut­ter wie vie­le Men­schen ihrer Gene­ra­ti­on eher von Ver­zicht anstatt von Viel­falt, von Ratio­nie­rung anstatt Über­fluss und vom Satt-Wer­den anstatt vom Rosi­nen-Picken geprägt. Wer sich infol­ge­des­sen aber jetzt eine rund­lich rot­wan­gi­ge Kalt­mam­sell mit Wirt­schafts­wun­der­jah­re-Nach­hol-Syn­drom vor­stellt, der liegt falsch. Mut­tern hat selbst zu bes­ten Zei­ten nie­mals mehr als 50 kg auf die Waa­ge gebracht (übri­gens ganz ohne Not). Ihre Lei­den­schaft für´s Kochen war also kaum von einem Nach­hol­be­dürf­nis getrieben.

Motivation war, anderen etwas Gutes zu tun.

In ers­ter Linie der Fami­lie. Aber der Kreis derer, denen die­se Moti­va­ti­on vie­le klei­ne und aller­hand gro­ße Genuss­mo­men­te ver­schafft hat, ging deut­lich dar­über hinaus.

Ich den­ke da zum Bei­spiel an all die Hand­wer­ker, die mei­ne Eltern bei ihren regel­mä­ßi­gen An‑, Um- und Aus­bau-Aktio­nen am Haus unter­stütz haben. Die wur­den näm­lich grund­sätz­li­che mit herr­lich def­ti­gen Ein­töp­fen a la Grün­kohl mit Kass­ler UND (!) Mett­wurst gedopt, was sich nach dem drit­ten Nach­schlag und dem Über­win­den des Völ­le­ge­fühls unge­mein posi­tiv auf deren Arbeits­tem­po und Moti­va­ti­on auswirkte.

Mir fal­len da auch noch die Mes­se­be­su­cher der Deu­Bau in Essen ein, denen Mut­ter auf dem Stand eines renom­mier­ten Küchen­her­stel­lers eine der aller­ers­ten in Deutsch­land erhält­li­chen Micro­wel­len­her­de  vor­zu­füh­ren ver­such­te. Das inter­es­sier­te die aus­schließ­lich männ­li­chen Mes­se­be­su­cher in den 70er Jah­ren zwar nicht die Boh­ne. Der wäh­rend die­ser Vor­füh­run­gen kre­ierte Micro­wel­len-Mar­mor­ku­chen (Mut­ters eige­ne Ent­wick­lung) ging aller­dings trotz­dem weg wie die berüch­tig­ten war­men Sem­meln. Mit dem Effekt, wie man spä­ter mehr­fach hör­te, dass die ein oder ande­re Besu­cher-Ehe­frau urplötz­lich mit etwas beglückt wur­de, das sie vor­her nie ver­misst hat­te, dass Sie aber gemäß der ver­meint­lich neu gewon­ne­nen Erkennt­nis­se des Göt­ter­gat­ten unbe­dingt bräuch­te, um end­lich mal lecke­ren Kuchen backen zu können.

Und ganz selbst­kri­tisch muss man auch noch den männ­li­chen Teil der Fami­lie Frank erwäh­nen, der bereits im Fal­le leich­ter Hun­ger­ge­füh­len dazu neig­te (angeb­lich noch neigt), „unlei­dig“ zu sein, wie Mut­ter zu sagen pfleg­te. Zur Ver­mei­dung sol­cher Übel­lau­nig­kei­ten muss­te nicht immer auf­wen­dig gekocht wer­den. Ein anstän­di­ges Büt­ter­ken tat´s auch. Und wur­de das mor­gens von Vater mit ins Büro genom­men und abends unver­zehrt wie­der mit­ge­bracht, dann mutier­te sel­bi­ges zum „Hasen­büt­ter­ken“, also einer am Tages­en­de ordent­lich durch­weich­ten Grau- oder Schwarz­brot-Stul­le, die man wohl nur als klei­ner Jun­ge wirk­lich lie­ben kann.

Noch mehr geliebt habe ich Mutters Suppen.

Jenen kraft­voll flei­schi­gen, wür­zig duf­ten­den, bauch- und herz­er­wär­men­den Gerich­te, die auch heu­te noch zu allen Lebens­la­gen pas­sen und bei denen ich ver­mut­lich schon als klei­ner Jun­ge jede Zutat hät­te auf­zäh­len kön­nen. Bis auf eine: WASSER!

Für einen Fünf­jäh­ri­gen Sup­pen­kas­per wie mich eine unfass­ba­re Unge­heu­er­lich­keit, dass eine so fade Sub­stanz etwas mit mei­ner heiß und innig gelieb­ten Sup­pe zu tun haben soll­te. Und hät­te ich es nicht selbst mit­an­se­hen müs­sen, ich würd´s bis heu­te nicht glauben.

Die­se trau­ma­ti­sche Sup­pen-Ent­mys­ti­fi­zie­rung wirkt übri­gens bis heu­te nach. Und zwar immer dann, wenn ich über Prin­zi­pi­en, Tech­ni­ken und Koch­phy­sik schwa­fe­le und Bei­trä­ge unnö­tig in die Län­ge zie­he. Jetzt wisst ihr´s: Das war alles Mut­ter. Und dafür bin ich sehr, sehr dankbar!