Am Frei­tag erhielt ich wegen mei­ner „tol­len Web­site“ einen Anruf und anschlie­ßend das fol­gen­de Ange­bot vom Ab-in-den-Urlaub.de-Team:

Fri, 09 Nov 2012 17:33:25 +0100

Sehr geehr­ter Herr Frank,

wir freu­en uns sehr über Ihr Inter­es­se an unse­rer Akti­on „Kuli­na­ri­sche Abenteuer“.

Wie bespro­chen sen­den wir Ihnen den Link zu unse­rer Infor­ma­ti­ons­sei­te, hier fin­den Sie wei­te­re Infor­ma­tio­nen zum Gewinn­spiel, zu den Duell­part­nern und den Videos:

http://​www​.ab​-in​-den​-urlaub​.de/​k​o​cht

OPTIO­NA­LER ZUSATZ
*Gern ver­fas­sen wir einen kur­zen Text über kuli­na­ri­sche Spe­zia­li­tä­ten, wel­cher sich am Sti­le Ihre Web­site ori­en­tiert. Somit erhal­ten Sie kos­ten­frei uni­quen, qua­li­ty con­tent, der eine Berei­che­rung für Ihre Web­site und Ihre Leser darstellt.*
Falls Sie wei­te­re Fra­gen haben, ste­he wir Ihnen gern jeder­zeit zur Ver­fü­gung. Wen­den Sie sich bit­te an Frau B unter: FrauB@​unister.​de oder 0341 65050….

Frau A
Ihr Ab​-in​-den​-Urlaub​.de Team

Unis­ter GmbH
Bar­fuß­gäss­chen 11 | 04109 Leipzig

„Kostenfrei uniquer quality content”

inter­es­siert einen denn ja schon mal. Vor allem, wenn nicht nur Con­tent im Sti­le der eige­nen Web­site, son­dern sogar noch ein 50-Euro-Rei­se­gut­schein ver­spro­chen wird. Was übri­gens bei­des völ­lig unnö­tig ist, weil es ja per se eine fei­ne Idee für eine Rei­se­por­tal-Mar­ke ist, das The­ma Kuli­na­rik zu beset­zen. Das zumin­dest signa­li­siert der Trai­ler auf der Ma(h)l anders!-Micro-Site – bis Sekun­de vier­zehn. Ab da wird´s dann mei­nes Erach­tens etwas komisch (you­tube). Gezeigt wer­den näm­lich Pro­ban­den und Macher, die sich zum Dar­ge­bo­te­nen wie folgt äußern:

„Das schmeckt wie totes Tier, das 20 Jah­re in ner Lei­che gele­gen hat | Ihr seit auch die ers­ten Tes­ter, bei denen das Essen noch lebt | Wie kannst du so was nur essen | Anders, anders als alles Andere! … ”

Nun, wer  Igitt­igitt, über­ra­sche mich nicht! gele­sen hat weiss, dass ich unge­wöhn­li­che kuli­na­ri­sche Ein­drü­cke unbe­dingt für eine Berei­che­rung hal­te. Des­halb fand ich den Ansatz ja auch so span­nend, die Mar­ke Ab-in-den-Urlaub mit kuli­na­ri­scher Kom­pe­tenz aufzuladen.Blöd nur, dass ein Ekel-Wett­be­werb a la Dschun­gel-Camp rein gar nichts mit „kuli­na­risch” oder den ent­spre­chen­den Syn­ony­men zu tun hat.

Hin­zu kommt, dass ein sol­cher Con­test von Scha­den­freu­de lebt, die sich mit schmerz- und intel­li­genz­frei­en C‑Promis erheb­lich bes­ser her­vor­ru­fen lässt als mit prin­zi­pi­ell schlau­en und ver­mut­lich sogar sehr net­ten Unis­ter-Mit­ar­bei­tern, die „mit aller­lei Ekli­gem und Unge­wohn­tem vom aus­ge­zeich­ne­ten Pro­fi­koch Tho­mas Fahr ver­kös­tigt wer­den.” (Unis­ter-Pres­se­mel­dung)

Da man aber wohl ins­ge­heim gemerkt hat, dass die­ses Duell klemmt, haben die Leip­zi­ger 23 Jähr­chen nach dem Mau­er­fall noch flugs mit einer Pri­se post-sozia­lis­ti­schem Klas­sen­kampf nach­ge­würzt. Immer nach dem Mot­to: „Wer­den die Ange­stell­ten ihren Vor­ge­setz­ten zei­gen kön­nen, wo der kuli­na­ri­sche Ham­mer hängt? Oder wird sich auch zu Tisch die Hier­ar­chie des Büros durchsetzen?”

Was die­ser Mar­ken-Murks nun soll, habe ich mit der fol­gen­den Mail zu ergrün­den ver­sucht. Ich muss ja schließ­lich kapie­ren, über was ich da blog­gen soll.

Date: Tue, 13 Nov 2012 09:41:58 +0100

Lie­be Frau A,
Lie­be Frau B,

was genau sind die Zie­le die­ser Aktion?

Möch­ten Sie Ihre Kun­den für die Spe­zia­li­tä­ten einer Urlaubs­re­gi­on begeis­tern, was ich als Koch-Blog­ger und Mar­ken­stra­te­ge für durch­aus sinn­voll hal­te. Oder möch­ten Sie die Ekel­prü­fun­gen des Dschun­gel­camps nach­spie­len – aller­dings ohne die für das Kon­zept nicht unwe­sent­li­che Scha­den­freu­de gegen­über den betei­lig­ten C‑Promies.

Wol­len Sie die Urlaubs­er­leb­nis­se ihrer Kun­den um neue kuli­na­ri­sche Ein­drü­cken berei­chern, also für noch begeis­ter­te­re Kun­den / mehr Emp­feh­lun­gen / mehr Buchun­gen sor­gen? Dann sicher­lich nicht über Stier­ho­den (die übri­gens durch­aus schmack­haft sind) und schon gar nicht über das absur­de Duell „Mit­ar­bei­ter ver­sus Chef“?

Kurz­um: Ein wenig Licht im kon­zep­tio­nel­len Dun­kel wäre hilf­reich. Rufen Sie mich doch ein­fach mal dazu an. Viel­leicht kann man die Akti­on ja noch retten.

Schö­ne Grü­ße aus Erkrath

Andre­as Frank

Die Ant­wort auf mei­ne Mail kam zwar nicht von Frau A oder Frau B, den Unter­zeich­nern der Mail. Dafür aber vom ver­ant­wort­li­chen Pro­jekt­ma­na­ger, der den oben beschrie­be­nen kon­zep­tio­nel­len Mum­pitz tele­fo­nisch zu recht­fer­ti­gen ver­such­te. Und wie mitt­ler­wei­le sehr vie­le Pro­jekt­ma­na­ger, tat er dies in einer ganz spe­zi­el­len Qua­li­tät: Näm­lich bar jeder Aus­ein­an­der­set­zung mit den gestell­ten Fra­gen. Denn Fra­gen, die über das Mana­gen des Pro­jekts hin­aus gehen, wer­den von den zuneh­mend Bache­lor-zer­ti­fi­zier­ten Orga­ni­sa­ti­ons­ge­nies ent­we­der gar nicht wahr genom­men, ob der „Effi­zi­enz” des Stu­di­ums nicht mehr begrif­fen oder kon­sens­ori­en­tiert schön geredet.

Mit einem sol­chen „Kon­sen­ser“ tele­fo­nier­te ich Diens­tag spät­nach­mit­tags. Zu errei­chen ver­sucht hat­te er mich aller­dings von sich aus schon mit­tags, was bemer­kens­wert flott ist. Lei­der war das das ein­zig Bemer­kens­wer­te an unse­rem Gespräch, dass in etwa fol­gen­den Inhalts war.

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Ich: Was ist denn das Ziel Ihrer PR-Aktion:
Er: kos­ten­güns­ti­ge PR.

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Ich: Und markentrategisch?
Er: Wir ver­fol­gen da noch ande­re als die von Ihnen in der Mail genann­ten Zie­le. Wel­che kann ich Ihnen nicht sagen. [Anmer­kung: Ja nee, is klar. Aber blog­gen soll ich darüber.]

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Ich: War­um der kon­stru­ier­te Gegen­satz zwi­schen „Füh­rungs­kraft (Jan­ka) und Mit­ar­bei­ter (Maria)”? Braucht man das heu­te noch?
Er: Die­sen Gegen­satz sehen wir ja auch nicht? Wir haben hier ganz moder­ne, fla­che Strukturen.


Ich: Glau­ben Sie tat­säch­lich, dass man Kun­den mit Stier­ho­den zu neu­en kuli­na­ri­schen Ein­drü­cken bewe­gen, also für noch begeis­ter­te­re Kun­den / mehr Emp­feh­lun­gen / mehr Buchun­gen sor­gen kann?
Er: Das ist nur ein ers­ter Teil. Da kommt noch mehr … [laut Pres­se­mel­dung von Hah­nen­käm­men über rohen See­igel oder Mil­ben­kä­se bis hin zu Kut­teln und ver­go­re­nem Fisch]

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Ich: „War­um ekeln sich die Deut­schen vor Inne­rei­en?“ war im Okto­ber ein Arti­kel im Spie­gel. Noch mal gefragt: Gewinnt man mit Ekel-Aktio­nen Fans?
Er: Die Akti­on läuft erfolg­reich auf Facebook.

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Ich, ein wenig bos­haft: Sie wis­sen schon, dass man statt der Ekel-Akti­on auch mit blan­kem Hin­tern über die Stra­ße lau­fen, jun­ge Hun­de oder nack­te Frau­en zei­gen kann, wenn man um jeden Preis auf­fal­len will, oder?
Er .… .…  [Ich hab´s mal als Nach­den­ken interpretiert.]
Ich: .… …  mit dem Vor­teil, dass wenigs­tens kein mar­ken­stra­te­gisch inter­es­san­tes Ter­rain ver­brannt wird.
Ant­wort (gefühlt): beeeeeeeep

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Er: Vie­len Dank für Ihre freund­li­che Kri­tik, Herr Frank.
Ich: Mein Gott, das mei­nen Sie doch jetzt nicht auch noch ernst, oder?

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Das ist nun bin­nen weni­ger Wochen die vier­te oder fünf­te Pro­jekt­ma­nage­ment-Begeg­nung der beson­de­ren Art. Wobei ich die Damen und Her­ren rück­bli­ckend betrach­tet in Schutz neh­men muss – ein biss­chen jeden­falls. Es scheint näm­lich so zu sein, dass das Orga­ni­sie­ren ger­ne auch völ­lig sinn­frei befoh­len wird, was Anno Domi­ni 2012 in zwei­er­lei Hin­sicht ver­blüfft: Zum einen, weil die Gene­ra­ti­on Y doch eigent­lich viel sinn­ori­en­tier­ter sein soll als ihre Chefs aus der Generation‑X, wie ich selbst vor zwei Jah­ren mal deli­rier­te (damals mit Über­zeu­gung, wie ich geste­hen muss). Zum ande­ren, weil es immer mehr Füh­rungs­kräf­te (sie­he ganz unten) zu geben scheint, die pri­mär orga­ni­sa­ti­ons­wü­ti­ge Jung-Bache­lor anheu­ern, um immer weni­ger füh­ren zu müs­sen. Denn Zie­le zu ver­mit­teln und für die­se zu begeis­tern, macht Mühe. War­um soll­te man die auf sich neh­men, wenn die Gene­ra­ti­on Y im Zwei­fels­fall auch ohne Zie­le ganz von allei­ne funk­tio­niert und fein und artig vor sich hin orga­ni­siert – nach wel­chem Mass­stab und mit wel­cher mar­ken­stra­te­gi­schen Mess­lat­te auch immer.

Inso­fern tut mir der klei­ne Clinch mit dem o. g. Akti­ons-Ver­wal­ter schon fast ein wenig leid. Denn ver­ant­wort­lich für den Ekel-Batt­le sind ja sei­ne Chefs. Nicht pas­siv, son­dern als akti­ve Duel­lan­ten, wie man wort­wört­lich hier nach­le­sen kann.