Im Gegen­satz zum bra­si­lia­ni­schen Rind, land­läu­fig auch Sam­ba-Kuh genannt, stammt die Tan­go-Kuh logi­scher­wei­se aus Argen­ti­ni­en. Glück­li­che in der Pam­pa auf­ge­wach­se­ne Rind­vie­cher, die auf dem Weg ins deut­sche Kühl­re­gal ganz ent­spannt im Vaku­um vor sich hin rei­fen dür­fen, um der­weil mit den post mor­tem ent­stan­de­nen Milch­säu­re­bak­te­ri­en das Über­maß an Kol­la­gen in den Mus­kel­fa­sern zart und das Aro­ma fein zu machen. (Kol­la­gen, sie­he auch Pul­po)

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Zuge­ge­ben: In tra­di­tio­nel­ler Manier 21 Tage oder län­ger bei fri­schen 2 bis 3 º Cel­si­us offen und luf­tig im Kühl­raum abge­han­gen ist natür­lich noch lecke­rer. Aber eben auch noch teu­rer und zudem auch schwer zu bekom­men. Es sei denn man goo­gelt nach dem schi­cken neu­deut­schen Begriff „dry aged” und bestellt online beim Nobel­fleisch-Ver­sen­der. Der Off­line-Metz­ger um die Ecke hat hin­ge­gen trotz des höhe­ren Geschmacks­er­leb­nis­ses kaum eine Chan­ce, die­se Fleisch­qua­li­tä­ten zu ver­kau­fen. Weil das Tier beim Abhän­gen Gewicht ver­liert, zusätz­li­che Lager­zeit und Ener­gie kos­tet und eine Blut­wurst-schwar­ze Far­be annimmt, was für den deut­schen Fri­sche-Feti­schis­ten zumeist fies anzu­schau­en ist. Das im Vaku­um gereif­te Fleisch ver­liert hin­ge­gen kaum Gewicht und wird nach dem Öff­nen auch wie­der schön rot. Mit ande­ren Wor­ten: Tan­go-Kuh aus der Vaku­um-Tüte ist ein pro­ba­ter Kom­pro­miss. Zumal es hier um die klei­ne Par­ty-Grö­ße von 2,5 kg Roast­beef am Stück geht, was als dry aged-Vari­an­te locker die drei­stel­li­ge Euro-Hür­de meis­tert, ergo in der Kate­go­rie „man-kann´s‑auch-übertreiben“ landet.

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Außer­dem soll das Roast­beef ja „Bar­be­cue-Style“ auf den Tisch kom­men, das da heisst: Schön wür­zig und mit einem herr­lich natür­li­chen Rauch­aro­ma. Das, lie­be Freun­de des klas­sisch fah­len Oli-K-Grill­rie­mens, ent­steht übri­gens nicht, indem man ordent­lich Fett in die offe­ne Glut trie­fen und unter erhöh­ter Rauch­ent­wick­lung abfa­ckeln lässt. Das ist ganz doll ba-ba-pfui, hat nix mit Gril­len zu tun und dient je nach Rauch­ent­wick­lung im bes­ten Fal­le der Nach­bar­schafts­be­wäl­ti­gung. Rich­tig und oben­drein erheb­lich ele­gan­ter geht´s mit vor­her zu wäs­sern­den Holz­chips oder auf die klas­si­sche Art mit einer klei­ne Tas­se voll Räu­cher­mehl (dazu spä­ter mehr).

Zubehör: 

Ana­lo­ge Bra­ten-Ther­mo­me­ter gibt´s bereits für ent­spann­te 6 bis 10 Euro­lin­chen in jedem halb­wegs anstän­dig sor­tier­ten Supermarkt.

Zutaten:

  • 2,5 kg argen­ti­ni­sches Roast­beef (bzw. die Hälf­te vom kom­plet­ten Stück)
  • 5 EL Dijon­senf (EL = Esslöffel)
  • 3 EL Öl
  • 2 EL Salz
  • [nach Gus­to 2 El Kräu­ter, gefrier­ge­trock­ne­te rei­chen völ­lig aus]
  • 1 ½ EL fein duf­ten­der Tel­li­cher­ry-Pfef­fer (kommt erst ganz zum Schluss auf´s Beef)

Vorbereitung:

Parie­ren: Roast­beef von der Fett­schicht befrei­en. Das gute Stück wird näm­lich am nächs­ten Tag (nach dem Mari­nie­ren) kurz und hef­tig über der direk­ten Glut gebräunt. Fett wür­de dabei in die Glut trop­fen und abfa­ckeln, was (sie­he oben) nichts mit Grill- und schon gar nichts mit Bar­be­cue-Aro­ma zu tun hat.
Mari­nie­ren: Dijon-Senf (bit­te den und kei­nen ande­ren, sie­he Wiki­pe­dia, zwei­ter Absatz) mit Öl, Salz und den getrock­ne­ten Kräu­tern (so man mag) zu einer glat­ten Emul­si­on ver­rüh­ren. Roast­beef damit rund­her­um schön ordent­lich ein­cre­men und im Plas­tik­beu­tel über Nacht durch­zie­hen las­sen. (Noch inten­si­ver wird´s, wenn man den Bra­ten im Vaku­um­beu­tel einschweisst.)


Aro­ma­ti­sie­ren: Dazu eine min­des­tens dop­pel­te Lage von der kräf­ti­gen Alu­fo­lie in eine han­dels­üb­li­che Kaf­fee­tas­se drü­cken und das so ent­stan­de­ne Alu­schäl­chen zu ⅔ mit Räu­cher­mehl fül­len. Räu­cher­päck­chen schon mal neben dem Grill bereit stellen.
WICH­TIG: So ein Stück Roast­beef soll­te Zim­mer­tem­pe­ra­tur haben, wenn es auf den Grill kommt. Ansons­ten dau­ert das anschlie­ßen­de Nie­der­tem­pe­ra­tur-Garen noch län­ger. Also ent­we­der schon mor­gens aus dem Kühl­schrank neh­men oder gar nicht erst kalt stel­len. (Für Skep­ti­ker: Senf wirkt keimtötend ;-)

Zubereitung:

Bräu­nen: Roast­beef von allen sechs Sei­ten jeweils cir­ka 5 Minu­ten direkt über der Glut und ohne Deckel bräu­nen (cir­ka, weil ich euren Grill nicht ken­ne). Am bes­ten mit den bei­den senk­recht zur Faser geschnit­te­nen Stirn­sei­ten anfan­gen. Das sorgt für eine schön kom­pak­te Bra­ten­form. Ziel ist es, dem Roast­beef schon jetzt sein final gebräun­tes Äuße­res und damit jede Men­ge fei­ner Röst­aro­men zu ver­pas­sen (darf ruhig etwas dunk­ler wer­den). Beim anschlie­ßen­den Nie­der­tem­pe­ra­tur-Garen pas­siert da näm­lich nix mehr. Des­halb: Jetzt oder nie!

Räu­chern: Vor dem Gril­len der letz­ten Sei­te den Grill­rost hoch klap­pen, das oben offe­ne Räu­cher­päck­chen am Rand auf die Glut stel­len, Rost drauf, Fleisch drauf, Deckel zu (Lüf­tungs­schlit­ze im Deckel halb öff­nen). Spä­tes­tens nach 30 Sekun­den soll­te es bereits merk­lich qual­men. Wenn nicht habt ihr das Alu­päck­chen zu weit zuge­drückt oder es steht nicht auf der Glut (oder ihr habt das Räu­cher­mehl vergessen ;-)

Anmer­kung: Bei Fleisch sind 5 bis 10 Minu­ten heiß-räu­chern das Maxi­mum, weil Fleisch im Gegen­satz zum Räu­chern gan­zer Fische die schüt­zen­de Haut fehlt und aus einem tol­len Räu­cher­aro­ma schnell der Biss in die Teer­pap­pe wird.

Bie­tet ein paar net­te Details: Ange­fan­gen bei der all­ge­mei­nen Mate­ri­al-Qua­li­tät über einen hoch­klapp­ba­ren Grill-Rost bis hin zum Auf­fang-Trich­ter, der ver­hin­dert, dass Fett in die Glut tropft.

Garen: Ziel ist es, ein Roast­beef zu fabri­zie­ren, dass mit einem wun­der­bar gleich­mä­ßi­gen Ver­lauf beein­druckt: Von der wohl­ge­bräun­ten Krus­te über ein saf­ti­ges, rosa-grau­es Mit­tel­feld bis hin zum klei­nen, fast noch blu­ti­gen Kern. Genau das erreicht man bei einer Kern­tem­pe­ra­tur von etwa 65 º. (60º ist mir ten­den­zi­ell zu eng­lisch, 70º ist immer noch schön saf­tig aber nach mei­nem Geschmack schon etwas arg durch.) Dazu das Bra­ten-Ther­mo­me­ter bis zur Hälf­te in das bis­lang nur optisch fer­ti­ge Stück Roast­beef pik­sen und für 3 ½ - 4 Stünd­chen bei 85º Cel­si­us auf einer leicht geöl­ten Plat­te im vor­ge­heiz­ten Back­ofen sanft vor sich hin garen las­sen. Ober- und Unter­hit­ze. Auf KEI­NEN Fall Umluft. Wer ein Back­ofen-Ther­mo­me­ter sein Eigen nennt: Mit dem Bra­ten in der Röh­re gemes­sen haben sich 85º im Ofen als pri­ma Kom­pro­miss zwi­schen Schnel­lig­keit und Sanft­heit erwie­sen. Um die zu errei­chen muss man ggf. die Back­ofen-Tem­pe­ra­tur um 5 bis 10º höher ein­stel­len, weil der Bra­ten ja die Luft im Back­ofen kühlt.)

Ser­vie­ren: Die Krus­te aus grob im Mör­ser zer­sto­ße­nem Pfef­fer nicht ver­ges­sen. Erst am Tisch anschneiden.

„JA ABER!“ hör­te ich vor Kur­zem: „Beim Sous-vide-Garen (auch ein Nie­der­tem­pe­ra­tur-Gar­ver­fah­ren, aber im Vaku­um­beu­tel) hat mir mein Metz­ger eine Fleisch­tem­pe­ra­tur von 42º emp­foh­len. Ist 65º da nicht viel zu heiß?“ Nein, ist es nicht und der rat­ge­ben­de Metz­ger hat­te offen­sicht­lich hohes Fie­ber. Hof­fent­lich kei­nes, dass bis 42º ging, denn das ist genau die töd­li­che Maxi­mal­tem­pe­ra­tur, bei der bestimmt für den Stoff­wech­sel lebens­not­wen­di­ge Pro­te­ine dau­er­haft dena­tu­rie­ren (gerin­nen). Im Klar­text: Ein auf 42º erwärm­tes Stück Fleisch ist lau­warm, roh und mit gro­ßer Wahr­schein­lich­keit tot – mehr nicht.

Und wie­so über­haupt Nie­der­tem­pe­ra­tur-Garen? Weil eine Tem­pe­ra­tur von mehr als 100º dazu führt, dass ver­mehrt Flüs­sig­keit an der Bra­ten-Ober­flä­che ver­duns­tet, unser Roast­beef also außen bereits ver­trock­net und somit schrumpft, wäh­rend es innen noch roh ist. Mit ande­ren Wor­ten: Der Bra­ten zieht sich zusam­men und ver­liert spä­tes­tens beim Anschnei­den jede Men­ge Saft. Bei Tem­pe­ra­tu­ren von unter 100º pas­siert das nicht bzw. kaum und jeder bekommt eine wun­der­bar saf­ti­ge Schei­be Roast­beef (übri­gens ganz ohne Ent­span­nungs­zeit in Alufolie).

Fotos vom fer­ti­gen, ange­schnit­te­nen Roast­beef hab ich lei­der ver­ges­sen und wer­den bei Gele­gen­heit nach­ge­reicht. Freue mich aber über jedes Foto, das ihr mir von euren Ergeb­nis­sen mailt.

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Klei­ne Ergän­zung: Jan vom ess­zet­tel hat vor Kur­zem sehr schön 5 Metho­den beschrie­ben, wie man zum per­fek­ten Steak kommt.